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Gute Gründe, um mal wieder eine Bücherei zu besuchen

Hilders. Rund ums Lesen drehte sich in den vergangenen Tagen alles auf der Frankfurter Buchmesse. Aus diesem Anlass stellten wir in der vergangenen Woche die Hochschul- und Landesbibliothek (HLB) in Fulda vor. Heute richten wir den Fokus auf die 36 Gemeindebüchereien im Landkreis Fulda.

Mit den rund 700 000 Medien in der HLB können sich diese zwar nicht vergleichen, aber für viele Leseratten stellen sie einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt ihres Hobbys dar. „Meine Tochter würde mir sonst die Haare vom Kopf lesen“, seufzt Michael Friedrich scherzhaft, der als Leiter der Volkshochschule des Landkreises Fulda auch Ansprechpartner für die ehrenamtlichen Büchereimitarbeiter/-innen im Landkreis ist. Er selbst besucht mit seiner 13jährigen Tochter regelmäßig die Kalbacher Gemeindebücherei in Mittelkalbach. Dabei leiht er sich besonders gern Hörbücher aus, zuletzt Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ und Follets „Die Kinder von Eden“.

Wer von öffentlichen Büchereien das Bild hat, diese seien dumpfe Stuben, in denen man die von Lehrer- und Pfarrerfamilien ausrangierten Bücher aus vergangenen Jahrzehnten lesen könne, für den wird es höchste Zeit, seiner Gemeindebücherei mal wieder einen Besuch abzustatten. Längst haben sich viele zu modernen Mediotheken gewandelt, in denen neben Büchern auch Filme und Hörspiele zur Ausleihe angeboten werden und Scanner sowie PC die Karteikarten ersetzt haben.

Klasse statt Masse

Nach Ansicht von Michael Friedrich ist es wichtig, dass der Büchereibestand regelmäßig durchforstet werde. Denn nicht Masse sondern Aktualität und Klasse entschieden über die Attraktivität einer Einrichtung. Andrea Dänner, ehrenamtliche Leiterin der Pfarr- und Gemeindebücherei in Simmershausen und beruflich für die katholischen Pfarrbüchereien im Bistum Fulda zuständig, pflichtet ihm bei: „Man muss auch mal etwas wegschmeißen können.“ In diesem Fall ist es ein Roman von Isabelle Allende, der seit 2006 nicht mehr ausgeliehen wurde und auch bei ihr keinen Anklang gefunden hat.

Dank des EDV-Systems, über das die Bücherei seit drei Jahren verfügt, lässt sich über die rund 2.000 Medieneinheiten und ihre Ausleihstatistik leicht der Überblick wahren. 96 männliche und 39 weibliche Nutzer haben seit Beginn des Jahres in der Bücherei mindestens einmal etwas ausgeliehen; dies bei insgesamt 620 Einwohnern, die der Hilderser Ortsteil zählt. Denn der Einzugsbereich umfasst fast ausschließlich Simmershausen, da es in der Kerngemeinde Hilders sowie im Ortsteil Batten zwei weitere Büchereien gibt.

Alle drei Hilderser Büchereien werden gemeinsam getragen von Kommune und Kirchengemeinde. Diese Konstellation gibt es im Landkreis ansonsten nur noch in Seiferts und Flieden. Durch die doppelte Trägerschaft haben sich in Simmershausen auch zwei Öffnungstage ergeben: mittwochs von 16 bis 17.30 Uhr (wie früher die Gemeindebücherei) und sonntags von 12 bis 13.30 Uhr (wie früher die katholische Bücherei). „Wir profitieren von dem Synergieeffekt“, sagt Andrea Dänner. Denn die Finanzierung von Büchereien bleibt auch mit Verabschiedung des Hessischen Bibliotheksgesetzes im September aufgrund der klammen Finanzlage eine freiwillige kommunale Leistung. Deshalb begrüßt Andrea Dänner es, dass ihre Bücherei über das bischöfliche Generalvikariat regelmäßig aktuelle Filme zur Verfügung gestellt bekommt und Unterstützung vom Borromäus-Verein, einem christlichen Netzwerk für Büchereiarbeit, erhält.

Nicht nur mit den beiden anderen Hilderser Büchereien kooperieren die Simmershäuser, sondern seit 15 Jahren auch mit den Bibliotheken in Seiferts und Wüstensachsen. Sie haben sich zu einem Verbund zusammengeschlossen. Weil alle (außer Seiferts) das gleiche elektronische Bibliothekssystem angeschafft haben, können Nutzer online in ihren Katalogen recherchieren und als Fernleihe in jeder zugehörigen Bücherei des Ulstertals kostenlos ausleihen. Auf diese Weise erhöht sich die Auswahl auf 10 600 Einheiten.

In Simmershausen führt „Ich bin dann mal weg“ die Hitliste der Sachbücher an, bei den Kindern ist es ein Asterix-Band und bei den Jugendbüchern die „Biss“-Serie von Stephenie Meyer. Außerdem hat die Simmershäuser Bücherei vier Zeitschriften abonniert (u.a. Geo, eine Senioren- und eine Gartenzeitschrift).

Die 12-jährige Melissa kommt etwa alle vier Wochen in die Bücherei. „Am liebsten leihe ich Filme aus.“ Heute gibt sie ein Buch mit Zungenbrechern zurück und leiht für sich und ihre jüngere Schwester eine CD mit Märchen aus. Die diensthabende Mitarbeiterin Christina Drott zieht einen Scanner über die Medien und macht darauf aufmerksam, dass die Schwester noch Bücher ausgeliehen habe. Es dauert keine halbe Stunde und Melissa ist wieder da – diesmal mit den angemahnten Medien und einer freiwillig gezahlten Mahngebühr.

„Die EDV ermöglicht uns einen tollen Service, wie beispielsweise das Vormerken von Büchern von zuhause aus über das Internet“, sagt Andrea Dänner. „Aber der persönliche Kontakt ist genauso wichtig.“ Dazu gehört nicht nur, dass vorbestellte Bücher nach Hause gebracht werden, sondern vor allem die Präsenz der Bücherei auf Dorffesten, etwa mit einem Vorlesewettbewerb für Erwachsene oder die Teilnahme an Leseförderprojekten.

Im Sommer veranstaltete Andrea Dänner erstmalig einen „Sommerleseclub“ für angehende Drittklässler. Diese sollten in jeder Ferienwoche ein Buch mit nach Hause nehmen und dieses dann vorstellen. Die Resonanz sei so gut gewesen, dass die Aktion über die Ferien hinaus verlängert wurde.

Zauberfest für Kinder

Tizian, der ebenfalls dabei war, leiht sich gerade einen Stapel Comics aus. Er würde wieder beim Leseclub mitmachen, aber nächstes Jahr sind ja die jetzigen Zweitklässler an der Reihe. Für jüngere Kinder organisiert Christina Drott alljährlich unter einem anderen Motto ein Lesefest. Dieses Jahr las sie am Grillplatz Köpfchen „Die Märchen von Beedle dem Barden“ vor und hatte einen jungen Zauberkünstler dazu eingeladen.

Unter anderem für derartige Aktivitäten ist nun als zweite im Landkreis Fulda die Bücherei in Wüstensachsen mit dem Förderpreis der Sparkassen-Kulturstiftung bedacht worden. 2007 hatte die Kalbacher Gemeindebücherei diese Auszeichnung erhalten. „Wir sind zu klein, um in die Auswahl zu kommen“, meint Andrea Dänner, die sich für ihre Kolleginnen freut und auch zur Verleihung am 18. November eingeladen ist. Aber einen Wunsch hat sie auch: „Beim Sommerleseclub habe ich gemerkt, wie viel Spaß es macht, über Gelesenes zu sprechen. Deshalb fände ich einen Treffpunkt-Charakter für unsere Bücherei toll. Zu uns kommen Familien mit Kindern genauso wie Senioren. Da ließe sich etwas draus machen.“ Wenn mehr Platz wäre…

Das Raumproblem hat sich derweil für die Rathausbücherei in Petersberg gelöst: Nach einem Boom an neuen Nutzern und Neuanschaffungen konnte diese nun in einen Anbau des Rathauses ziehen. Auch sie bietet seitdem einen Online-Service für Ihre Kunden.

Eine Auflistung aller Stadt- und Gemeindebüchereien im Landkreis mit Öffnungszeiten findet sich im aktuellen Programm der Volkshochschule des Landkreises Fulda auf den Seiten 92/93.

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