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Neue FES-Studie: Ärztezentren sollen gesundheitliche Versorgung in Stadt und Land sichern

Wiesbaden. Mit der Einrichtung von primärärztlichen Versorgungszentren können, einer Studie des hessischen Landesbüros der Friedrich-Ebert-Stiftung zu folge, die wachsenden Probleme der gesundheitlichen Versorgung im ländlichen, aber auch im städtischen Raum in Zukunft flächendeckend gelöst werden. Zu diesem Ergebnis kommen die Verfasser der Studie „Gesundheitliche Versorgung in Stadt und Land – Ein Zukunftskonzept“, Prof. Dr. Stefan Greß und Prof. Dr. Klaus Stegmüller. In der vergangenen Woche stellten die beiden Wissenschaftler des Fachbereichs Pflege und Gesundheit der Hochschule Fulda die Ergebnisse ihrer Untersuchung in Wiesbaden vor.
In dem 40-seitigen Bericht analysieren sie die Defizite der Bedarfsplanung bei Vertragsärzten und Krankenhäusern und entwickeln ein Konzept für die effektive Steuerung und Sicherung der gesundheitlichen Versorgung. Die zentrale Verantwortung sollen dabei neu zu schaffende regionale Versorgungskonferenzen unter kommunaler Beteiligung tragen. Diesen würde die Aufgabe zufallen, die gesundheitliche Versorgung sicherzustellen, z.B. durch den Aufbau primärärztlicher Versorgungszentren. Der Studie zufolge sei es essentiell, dass diesen Versorgungskonferenzen weitreichende Entscheidungsbefugnisse übertragen würden. Neben einem eigenen Budget sei auch die Kompetenz zum Abbau von Überversorgung sowie ein Instrumentenkasten, mit dem der Über- und Unterversorgung im gesamten Verantwortungsbereich oder in einzelnen Kleinräumen begegnet werden könne, notwendig.

Mitglieder der regionalen Versorgungskonferenzen sind die jeweiligen Kommunen, die Leistungserbringer, dazu zählen etwa Ärzte, Physiotherapeuten, niedergelassene Hebammen und – wenn vorhanden – Krankenhäuser sowie die Krankenkassen. Auf diese Art und Weise entstehe eine „sektorübergreifende“ Zusammenarbeit. Zielvorstellung sei, dass alle Akteure gemeinsam im Sinne der Patientinnen und Patienten zusammenarbeiteten. Stationäre und ambulante Strukturen müssten im Interesse einer optimalen Versorgung von Patientinnen und Patienten in Zukunft eng zusammenarbeiten.

Wichtig sei auch, dass die zu bildenden primärärztlichen Versorgungszentren als Ergänzung zu den niedergelassenen Ärzten fungierten. Es gehe in erster Linie um Kooperation und nicht um Wettbewerb. Das Budget der Versorgungskonferenzen sollte ein einprozentiger Anteil an der Gesamtvergütung der ärztlichen Leistungen und der Krankenhausvergütungen sein, der durch Mittel von Kommunen und Krankenkassen ergänzt werden sollte. Aufgrund der schwierigen Haushaltssituation in den Kommunen sollte überlegt werden, diesen Betrag über den Landeshaushalt zu erbringen, so die Studie.

Die regionalen Versorgungskonferenzen erhalten die Kompetenz

– primärärztliche Versorgungszentren zu gründen, in denen angestellte Ärztinnen und Ärzte arbeiten. Diese Zentren sollen im Zentrum des Kreises angesiedelt werden, können aber Zweigpraxen im gesamten Kreis einrichten. Diese Zweigpraxen wären zwar nur zeitweise besetzt, können aber einen großen Teil der Versorgung abdecken. Wechselweise kämen Ärztinnen und Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen (Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Augenkrankheiten, Kinderkrankheiten) zeitweise in die einzelnen Orte. Die Abrechnung der ärztlichen Leistungen erfolge wie bisher, die kommunalen Haushalte würden nicht belastet.

– „Delegationsmodelle“ für ärztliche Tätigkeiten zu entwickeln und umzusetzen. Nach dem früheren Modell der Gemeindeschwester können speziell qualifizierte Fachkräfte Hausbesuche bei Patientinnen und Patienten durchführen und im Auftrag des Arztes oder der Ärztin (gegebenenfalls auch durch Telemedizin unterstützt) Teilbefunde erheben und den Arzt oder die Ärztin bei der Einschätzung des Gesundheitszustandes unterstützen. Die jetzt vorhandenen Möglichkeiten zur Abrechnung dieser Tätigkeiten müssten kostendeckend gestaltet werden.

– zur Vermeidung von Überversorgung in Kleinräumen auf die Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen zu verzichten. Im städtischen Bereich könnte somit vermieden werden, dass bereits überversorgte Stadtteile eine hohe Zahl an Ärztinnen und Ärzten behalten, während es in anderen Stadtteilen Mängel gibt.

– den Kontrahierungszwang der Krankenkassen (also die Verpflichtung mit allen niedergelassenen Ärzten mit Kassenzulassung abzurechnen) in überversorgten Gebieten aufzuheben. Auch mit diesem Instrument könne verhindert werden, dass es weiterhin privilegierte Teilregionen gibt, während in benachteiligten Gebieten Ärztinnen und Ärzte fehlen.

Ein entscheidender Faktor für die Verbesserung und den Erhalt der gesundheitlichen Versorgung seien aussagefähige Versorgungsindikatoren, die bundesweit einheitlich definiert sein müssten. Ein geeigneter Indikator sei etwa die Erreichbarkeit. So solle – ähnlich wie bei der Hilfsfrist im Rettungswesen – definiert werden, wie viel Zeit eine Patientin oder ein Patient aufwenden müsse, um ein Angebot der medizinischen Grundversorgung zu erreichen. Dieser Indikator kann auch für fachärztliche Angebote, Notfallversorgung und ähnliches festgelegt werden. Dieser Indikator habe nicht auf Fahrtzeiten mit dem PKW zu basieren, sondern, gerade auch unter sozialen Erwägungen, den ÖPNV zu berücksichtigen.

Aus der Sicht der Ärztinnen und Ärzte sei es zudem derzeit interessant, einen möglichst hohen Anteil an privat versicherten Patientinnen und Patienten zu haben, da hier ein höhere Betrag abgerechnet werden könne. Dies verstärke die Tendenz zur Niederlassung in „reichen“ Gebieten. Um die Versorgung mit medizinischen Leistungen, die zentraler Bestandteil der Daseinsvorsorge seien, gleichmäßig zu gestalten, wäre es darüber hinaus also sinnvoll, die Vergütungssysteme der gesetzlichen und privaten Krankenkassen zu vereinheitlichen.

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