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Birkhuhn, Tourismus und Kernzonen – Interview mit Torsten Raab

Rhön. Torsten Raab, 41 Jahre alt, verheiratet und drei Kinder, hat jetzt die Nachfolge von Otto Evers angetreten und die Leitung der Hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön übernommen. Für seine neue Funktion sieht er konkrete Schwerpunkte – neben den Themen Landwirtschaft, Energie und Erhalt der Kulturlandschaft beispielsweise eine bessere Tourismusstruktur in der gesamten Rhön. Carsten Kallenbach vom Freien Journalistenbüro der Rhön sprach mit ihm.

Herr Raab, welchen Bezug haben Sie eigentlich zur Rhön?

Torsten Raab: Ich bin in Neuhof-Hattenhof aufgewachsen und mit dem Blick zur Wasserkuppe groß geworden. Die Wasserkuppe war für mich der Berg der Rhön schlechthin, und auch im Heimatkundeunterricht haben wir uns mit Wasserkuppe und Milseburg beschäftigt. Oft sind wir in die Rhön gefahren, um dort unsere Freizeit zu verbringen und zu wandern. Als ich später an der Uni Gießen Agrarwissenschaften und Umweltsicherung studiert habe, hat uns die Forschungsarbeit unter anderem zur Hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön geführt. Der Bezug zur Rhön, und das durchaus Länder übergreifend, war also schon immer da.

In Ihrer bisherigen Funktion als Welterbemanager haben Sie in einer ganz anderen Region, nämlich dem Oberen Mittelrheintal, gearbeitet. Wie wird die Rhön dort wahrgenommen?

Torsten Raab: Die Rhön hat sich seit der Verleihung des Titels zum UNESCO-Biosphärenreservat sehr gut positioniert. Das Rhönschaf kennt am Rhein inzwischen jeder. Auch die Rhöner Apfelinitiative ist ein Begriff, und das gilt für viele weitere Projekte. Es wird also schon von außen ganz gezielt auf die Rhön geschaut, weil sie ein Biosphärenreservat und damit eine Modellregion ist.

Auf welche Bereiche wollen Sie als Leiter der Hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön besonderes Augenmerk legen?

Torsten Raab: Wir müssen unsere erfolgreichen Projekte weiterführen und zum Teil neu auf dem Markt positionieren. Wir haben aus meiner Sicht große Stärken im Bereich regionaler Produkte. In diesem Zusammenhang betrachte ich die Dachmarke Rhön als das wichtigste Glied in der Kette zwischen landwirtschaftlichen Erzeugern und Verbrauchern. Das heißt, dass wir alles tun sollten, damit diese Rhöner Regionalmarke weiterhin professionell und über die Grenzen hinweg arbeiten kann. Ein weiterer Bereich ist der Tourismus. Der hat Potential, aber die Strukturen sind wohl noch ausbaufähig.

Was meinen Sie damit konkret?

Torsten Raab: Der Trend, in der Rhön Urlaub zu machen, ist absolut gegeben. Den dürfen wir nicht verschlafen. Leider gehen die aktuellen Zahlen zurück. Daher müssen wir es schaffen, gute Angebote zu entwickeln und sie entsprechend zu ergänzen. Aus meiner Sicht sollten die Touristiker die Ziele verstärkt gemeinsam neu definieren, wo der Weg der Rhön im Tourismus hinführt, und zwar der der gesamten Rhön. Wir müssen stärker mit Länder übergreifenden Produkten wie dem Hochrhöner werben. Da sind die Touristiker im Zugzwang, aber alle Partner, auch die Verwaltungsstellen des Biosphärenreservats Rhön, müssen sie dabei unterstützen. Denn dem Tourismus in der Rhön kommt als Haupterwerbszweig der Zukunft eine Schlüsselrolle zu. Als Biosphärenreservat und Modellregion ist es unsere Aufgabe, entsprechende qualifizierte Arbeitsplätze zu erhalten beziehungsweise zu schaffen.

In Ihrem jetzigen Job werden Sie auch mit Problemen konfrontiert, die teilweise sehr konträr in der Region diskutiert werden. Wie gehen Sie damit um?

Torsten Raab: Für mich sind der geplante Bau der B 87n, die Biogasanlagen und die Erhaltung des Birkhuhns in der Tat so genannte „Problemfelder“ dieses Biosphärenreservats, die jedoch nicht ständig im Vordergrund der Diskussionen stehen müssen, sondern abzuarbeiten sind, ebenso wie beispielsweise die Kernzonenproblematik. Wir müssen bei all diesen Themen auch mal Wege gehen, die noch keiner gegangen ist. Beim Birkhuhn müssen wir offensiv nach außen vermitteln, dass wir alles tun, um diese Art zu erhalten. Natürlich kann es am Ende auch schief gehen – aber wir sollten alles versuchen, um ein Überleben dieser bekannten Leitart des Biosphärenreservats zu ermöglichen.

Bei der B 87n müssen wir die Konflikte offen darlegen und den Bürgern die Möglichkeit geben, mitzudiskutieren. Das Biosphärenreservat könnte hierbei die Moderation unterstützen. Die Straße soll ja für die Bürger gebaut werden und nicht für die Straßenverwaltung selbst. Alle Einwände wird man jedoch realistischerweise nie berücksichtigen können – bei keinem Projekt – aber sie sollten zumindest geprüft werden. Letztlich müssen die Vorteile für den Menschen überwiegen und die Nachteile für den Naturraum möglichst gering bleiben.

Das Thema der regenerativen Energieerzeugung ist in aller Munde. Wie kann das aus Ihrer Sicht in der Region am besten umgesetzt werden?

Torsten Raab: Ich habe kein fertiges Konzept parat. Ich halte es aber für elementar wichtig, aus verschiedenen Gründen auch in Zukunft auf Windkraftanlagen im Biosphärenreservat zu verzichten, denn das würde nicht nur eine nachhaltige Störung und Veränderung der offiziell unter Schutz stehenden Landschaft darstellen, sondern auch im Bereich Natur- und Artenschutz zu Veränderungen und Beeinträchtigungen führen. Der touristische Wert der Rhön würde natürlich ebenfalls dauerhaft geschwächt.

Die offene Mittelgebirgs-Landschaft der Rhön ist für mich ein einzigartiges und besonderes Gut, welches wir mit Bedacht entwickeln und erhalten müssen. Auf der anderen Seite können wir in der Rhön nicht überall großflächig Mais ausschließlich für Biogasanlagen auf unseren Feldern anbauen, weil auch das Natur und Landschaft nachhaltig verändert, sondern wir brauchen kleinteilige, standortgerechte und innovative Lösungen, die auch von den Bürgern mitgetragen werden.

Das Thema Energie ist also sehr komplex. Es braucht aus meiner Sicht ein schlüssiges Energie-Gesamtkonzept für die gesamte Rhön und den Landkreis Fulda, bevor einzelne Dinge umgesetzt werden. Wir sollten dabei auch stärker als bisher in der Energiefrage den Kontakt zu Forschung und Hochschulen suchen. Ich bin mir sicher, dass es in Zukunft neue, sinnvolle Möglichkeiten geben wird, Landschaftsschutz und Landschaftspflege mit Landwirtschaft und regenerativen Energien zusammenzuführen und miteinander zu kombinieren. Auch wenn wir das Ziel kurzfristig nicht zu hundert Prozent erreichen können – wir müssen an diesem Thema dranbleiben.

Foto: Carsten Kallenbach

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