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Fuldas Friedhöfe in der Innenstadt: Wo der „Hundeprinz“ begraben liegt

Fulda. Eine Exkursion auf den Friedhof? Im ersten Moment mag dies etwas makaber oder zumindest ungewöhnlich erscheinen, doch Dr. Udo Lange von der Volkshochschule der Stadt Fulda eröffnete den Teilnehmern im Rahmen der Veranstaltungsreihe „vhs im Museum“ einen völlig neuen Blick auf die alten Fuldaer Friedhöfe. „Die letzten Ruhestätten unserer Stadt bieten im Hinblick auf die kultur- und sozialgeschichtliche wie auch ökologische und geologische Betrachtung viele interessante Aspekte“, erklärte der vhs-Fachbereichleiter zu Beginn im Vonderau Museum. Geschichte werde lebendig, wenn man die Namen wichtiger Persönlichkeiten der Gemeinde – wie ehemalige Bürgermeister oder lokale Industrielle – auf den Grabsteinen den Kontexten zuordnen könne. Heute gibt es in Fulda und seinen Ortsteilen über 20 Friedhöfe. Die historischen letzten Ruhestätten seien es aus vielerlei Gründen wert, aus dem „Dornröschenschlaf“ geholt zu werden, so Dr. Lange.

Ältester Friedhof an der Michaelskirche

Als im Jahr 744 Sturmius im Auftrag von Bonifatius das erste Kloster gegründet hatte, suchte er auch eine Grablegung für die Mönche. Dadurch entstand Fuldas ältester Friedhof an der Michaelskirche, der im 9. Jahrhundert angelegt und bis etwa 1711 benutzt wurde. Der Hügel am Michaelsberg eignete sich dafür sehr gut, da der Boden dort nicht so feucht war. Als die Siedlung nach und nach wuchs, im 9. Jahrhundert zum Dorf und nach der Verleihung des Marktrechts um 1019 allmählich zur Stadt wurde, stieg auch der Bedarf an Grabstätten.

Während auf dem Friedhof an der Michaelskirche zuerst nur Mönche beerdigt werden durften, legte man für die übrigen Einwohner den Frauenbergfriedhof und den Friedhof an der Stadtpfarrkirche an. Im 14. Jahrhundert hatten einzelne Zünfte – die Schuster und die Maurer – das Recht, auf dem Friedhof der Michaelskirche bestattet zu werden. Diese ist nämlich auch die Zunftskirche der Schuster. Zu dieser Zeit war es außerdem für Personen mit hoher sozialer Stellung möglich, ihre letzte Ruhestätte in der Klosterkirche zu finden. Gehörte man aber nicht zur Oberschicht, blieben nur die Friedhöfe der normalen Kirchen.

Beinhäuser

Während sich die Teilnehmer im Lapidarium des Vonderau Museums Grabdenkmäler aus dem 16.-19. Jahrhundert anschauten, die auf dem ehemaligen alten Friedhof gestanden hatten, führte Dr. Lange die Geschichte der Fuldaer Friedhöfe weiter aus. Ab 1531 sei dann der alte städtische Friedhof vor dem Peterstor dazugekommen, der Dompfarrliche Friedhof sei von 1711 bis 1894 belegt gewesen. Anfang des 16. Jahrhunderts verbreitete sich der Glaube, dass die Nähe der Friedhöfe zu den Siedlungen ungesund wäre, so dass viele aus den Städten verlagert wurden. Außerdem waren die vorhandenen Friedhöfe schnell belegt, so dass  – um Platz zu schaffen – alte Gräber geräumt und die Knochen in so genannte „Beinhäuser“ gebracht wurden.

„In der Michaelskirche und bei der Stadtpfarrkirche in der heutigen Nonnengasse gab es beispielsweise ein solches Beinhaus“, erklärte Dr. Lange bei einem Rundgang durch die Stadt. Anhand des Friedhofs am Paulustor verdeutlicht er, mit welch hohe Belegungszahlen die Verantwortlichen damals zu tun hatten: Von 1711 bis 1930 seien dort beinahe 18.000 Menschen beerdigt worden, fast die Hälfte davon innerhalb von 70 Jahren. Die Gründe dafür sind vielfältig, so zog unter anderem der siebenjährige Krieg lange Hungerjahre nach sich, der Getreidepreis stieg um das Dreifache und die Sterbequote um das Zweifache. „Den jetzigen Hauptfriedhof gibt es seit 1906“, berichtete der vhs-Fachbereichleiter seinen interessierten Zuhörern, die sich mit vielen Fragen und auch ihrem eigenen Wissen in die Veranstaltung einbrachten.

Der alte städtische Friedhof

Mit Einbruch der Dämmerung ging es schließlich zum alten städtischen Friedhof am Franzosenwäldchen in der Goethestraße, der von 1531 bis 1877 belegt wurde. Vorbei an der Sandsteinmauer und den zwei Ananaspfeilern am Eingang fällt der Blick sofort auf die spätgotische Kapelle, in der heute noch etwa 100 Grabdenkmäler zu finden sind. „Dieser Friedhof ist wie ein Gang durch die alte fuldische Familien- und Sozialgeschichte“, bemerkte der vhs-Fachbereichsleiter und zeigte den Teilnehmern die imposanten Grabstätten von der politischen und geistigen Oberschicht sowie von Industriellen wie der Familie Müller, Rübsam oder Bellinger. Dabei ging er auch darauf ein, dass das Bestattungswesen im 19. Jahrhundert vor einigen Problemen stand. Da die Bevölkerung Fuldas stark gewachsen war, verkürzte man die

Belegungszeiten auf vielen Friedhöfen stark, um dem Platzmangel entgegenzuwirken. Dies führte allerdings dazu, dass viele Leichen noch nicht vollständig verwest waren, als man das Grab neu belegen wollte. Außerdem bereitete der Muschelkalk Schwierigkeiten, der viel Wasser anstaut, das den Boden feucht hält und eine Verwesung verlangsamt. Dadurch kam es häufig zu so genannten „Wachsleichen“ – Leichen, die aufgrund dieser suboptimalen Bodenbeschaffenheit nicht komplett verwest sind.

Beim Rundgang über den alten Friedhof, auf dem auch ein ehemaliger Oberbürgermeister und ein ehemaliger Bürgermeister beerdigt sind, fällt eine Grabstätte besonders auf: Zusammen mit seiner Frau liegt hier der Sohn des letzten amtierenden Kurfürsten von Hessen, der aufgrund seiner drei Hunde im Volksmund „Hundeprinz“ genannt wurde, begraben. „Ich bin mir sicher, alle Teilnehmer haben erkannt, dass das Thema Friedhöfe vielschichtig ist und mehr Aufmerksamkeit verdient“, resümiert Dr. Lange am Ende der Veranstaltung.

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