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Tanner Trachtengruppe sucht Mitglieder, die sich für Traditionen interessieren

Ob Baby Lilly bei den Veranstaltungen im kommenden Jahr noch in den Museumsdorf-Kinderwagen passt? Wenn ja, fehlt es nicht an freiwilligen Wagenschiebern. Von links: Ma-ma Kerstin Reith, Andrea Willing, Emmy, Luise und Diana Heller, Tanja Romeis, Sigrid Christ und Konrad Kirchner / Fotos: Limpert

Ob Baby Lilly bei den Veranstaltungen im kommenden Jahr noch in den Museumsdorf-Kinderwagen passt? Wenn ja, fehlt es nicht an freiwilligen Wagenschiebern. Von links: Ma-ma Kerstin Reith, Andrea Willing, Emmy, Luise und Diana Heller, Tanja Romeis, Sigrid Christ und Konrad Kirchner / Fotos: Limpert

Tann. Das Tanner Museumsdorf liegt im „Winterschlaf“. Der Bauerngarten ist abgeräumt und die Mitglieder der örtlichen Trachtengruppe, die sich in diesem Jahr statt des NABU-Ortsvereins um die Pflege des Museumsgartens gekümmert haben, können nun nach einem ereignisreichen Jahr durchatmen.

„Eines der schönsten Erlebnisse war der Hessentag in Kassel im Juni“, erinnert sich Andrea Willing, die in der Trachtengruppe Tann seit deren Gründung vor 30 Jahren aktiv ist. „Der Kasseler Oberbürgermeister Bertram Hilgen hat uns umarmt vor Freude, Vertreter aus seiner alten Heimatstadt zu sehen.“ Im August hatte die Stadt Tann gemeinsam mit der Trachtengruppe ins Museumsdorf zu einem Mitmach-Tag eingeladen: Mehr als 20 Kinder nahmen am „Abenteuer 1900“ teil und erkundeten, wie die Menschen vor etwa 150 Jahren gelebt haben. Sigrid Christ und Diana Heller zeigten im Dreiseithof, wie aus Wolle Garn gesponnen und dieses dann weiterverarbeitet wird, im Zweiseithof hatten andere Frauen der Trachtengruppe den alten Holzherd angefeuert und kochten Suppe mit frisch geerntetem Gemüse aus dem Museumsgarten. Ohne die Trachtengruppe, lobt Michael Zörgiebel, der Leiter des Tanner Touristikbüros, wäre die Veranstaltung nicht möglich gewesen.

„Mir ist es wichtig zu zeigen, was die Leute früher geleistet haben“, sagt Kerstin Reith, die auch nach ihrem Umzug in den Ehrenberger Ortsteil Reulbach der Tanner Trachtengruppe die Treue hält. „Heute gibt es alles zu kaufen. Früher wurden die Dinge mehr wertgeschätzt,  weil jeder wusste, wie viel Mühe mit der Herstellung verbunden war.“ Nach Meinung der 32-Jährigen waren die Menschen trotz der vielen Arbeit damals zufriedener als heute. „Ich will die Vergangenheit nicht verklären“, betont Andrea Willing. „Aber es tut mir leid, wenn alte Kenntnisse komplett verloren gehen.“ Die 45-Jährige sieht sich selbst als eher konservativ. „Man kann nur wissen, wo man hin will, wenn man weiß, wo man her kommt“, meint sie.

Auch Weben und Spinnen gehören für die Tanner Trachtengruppe zur Brauchtumspflege.

Auch Weben und Spinnen gehören für die Tanner Trachtengruppe zur Brauchtumspflege.

Mit dem derzeitigen Mittelalter-Boom hat die Gruppe nichts am Hut: Den Mitgliedern ist wichtig, dass sie mit ihren Trachten jene Epoche von vor 150 bis 200 Jahren verkörpern, die im Tanner Museumsdorf nachgestellt ist: Es war eine Zeit, als die Rhön von der Industrialisierung weitgehend unberührt war, schlechte Ernten Hunger und Seuchen nach sich zogen, aber sich zugleich auch ein neues bürgerliches Selbstbewusstsein herausbildete.

Wenn von der vierköpfigen Stammgruppe jemand ausfällt, wie Kerstin Reith im zurückliegenden Jahr wegen ihrer Schwangerschaft, wird es für die Übrigen anstrengend, die Aufgaben, zum Beispiel die Repräsentation beim Tanner Wirtefest oder das Verteilen von bunten Eiern beim Osterkonzert am Marktplatz, zu erfüllen. Zum Glück finden sich aber immer wieder Mitbürger, welche die vier Frauen bei Einzel-Aktionen unterstützen, darunter viele Jugendliche.  Auch Andrea Willings Mann und ihr Sohn Konrad Kirchner gehören zur Trachtengruppe. Beim „Abenteuer 1900“ webte der 17-Jährige an dem alten Webstuhl, der 2012 auf Initiative seiner Mutter und des Tanner Webers Reinhard Martin aufwändig restauriert worden ist. „Geschichte und Tradition sind wertvoll“, begründet der Schüler des Fuldaer Domgymnasiums sein ungewöhnliches Hobby, „und Wertvolles sollte man nicht verkommen lassen.“

„Wer Interesse an Brauchtumspflege hat, ist bei uns herzlich willkommen. Und keine Angst: Im Unterschied zu vielen anderen Trachtengruppen tanzen wir nicht“, wirbt Andrea Willing um weitere Aktive. „Originale Männerkleidung haben wir bis auf einige Gehröcke leider nicht. Aber Frauen können gern die Alltags- und Sonntagstrachten aus unserem Fundus anprobieren. Vielleicht passt ja eine.“ So wie Sabine Malter, die an Ostern als Zuschauerin von den besonderen Kleidungsstücken so angetan war, dass sie kurz darauf mit dem Bus für eine Anprobe zur Familie Kirchner-Willing nach Neustädtges fuhr und im September beim Wirtefest-Umzug trotz ihrer Behinderung selbst in Tracht und mit Begeisterung mitlief. Der im Herbst geborenen Lilly Reith dagegen sind Rock und Jacke viel zu groß. Dafür passt sie in den nostalgischen Kinderwagen aus dem Museumsdorf.

Kontakt

Wer bei der Gruppe mitmachen oder alte Trachtenstücke zur Verfügung stellen möchte, kann sich unter Telefon (06682)8143 melden.

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