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12. documenta in Kassel – Eine Weltkunstschau für die Sinne

Schönes für Kunstliebhaber. Äußerlich kommt die documenta ganz bescheiden daher. Das Logo der zwölften Kasseler Weltkunstschau besteht aus Strichen, wie sie Gastwirte auf Bierdeckeln machen. Den Weg zu den Ausstellungsorten weisen Schilder in krakeliger Handschrift.

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Von den 113 documenta-Teilnehmern stammt mehr als die Hälfte aus Regionen, die nicht nur in der Kunstwelt zur Peripherie zählen und gemeinhin unterrepräsentiert sind – Osteuropa, Asien, Afrika und Südamerika. Allein China ist mit sieben Künstlern vertreten. Die meisten Namen wird man erst lernen müssen, Prominenz gibt es kaum. Und der wohl berühmteste documenta-Teilnehmer bleibt Kassel sogar fern: Der spanische Starkoch Ferran Adrià wird sein Restaurant „elBulli“ nicht vorübergehend nach Nordhessen verlegen, sondern weiter in Spanien kochen.

„Wir haben uns für die einfachste Lösung entschieden und ´elBulli´ zum documenta-Standort gemacht“, sagte Buergel, als er seine Ausstellung am Mittwoch der Presse vorstellte. Die Weltkunstschau habe in dem Restaurant einen Tisch reserviert. Wer dort essen dürfe, bestimme allein die künstlerische Leitung. „Da verlassen wir uns auf unser bewährtes Modell der kuratorischen Willkür“, erklärte Buergel. „Wer mich darauf anspricht und darum bittet, hat schon verloren.“

Überraschungen für die Geschmacksnerven bleiben also das Privileg einiger weniger documenta-Gäste. An Reizen für Sinne und Geist aber wird es auch den übrigen Besuchern der Kasseler Weltkunstausstellung nicht mangeln. Farbenfroh und hell sind die Räume gestaltet, mit so viel Platz, dass es auch bei dem erwarteten Besucheransturm kein Gedrängel geben muss. Buergel und sein Team haben viel Zeit darauf verwandt, die mehr als 500 Kunstwerke – 100 mehr als ursprünglich angekündigt – sorgfältig zu arrangieren und miteinander in Beziehung zu setzen.

Von 600 Jahre alten persischen Miniaturen bis zu Arbeiten, die eigens für die documenta entstanden sind, reicht das Spektrum. Kunstwerke aus verschiedenen Weltteilen oder Jahrhunderten hängen nebeneinander, kommentieren sich gegenseitig und ermöglichen Assoziationen. Das Entdecken von Ähnlichkeiten und Verwandtschaften solle bei den Besuchern die Erkenntnis befördern, dass es „Alternativen zu Identität und Differenz“ gibt und dass „Unentscheidbarkeit“ kein Problem sei, sagte Buergel. „Wenn die Ausstellung funktioniert, kann die documenta ein Mittel sein, Leute dazu zu ermuntern, diese Intelligenz in sich selber zu entdecken.“

Die Auswahl der documenta-Teilnehmer folge „keiner Leitlinie, keiner Rezeptur“, so der künstlerische Leiter. Gleichwohl liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf Arbeiten mit politischem Anspruch. So erinnern die Gemälde des chilenischen Künstlers Juan Davila in ihrer Direktheit an Agitprop-Bilder. Der Österreicher Peter Friedl zeigt eine präparierte Giraffe, die zum Opfer des Nahostkonflikts wurde. Und Romuald Hazoumé aus Benin hat unter dem Titel „Dream“ ein Boot aus Plastikkanistern geschaffen, das an die mutig-hoffnungslosen Fahrten illegaler Einwanderer von Afrika nach Europa erinnert.

Die documenta 12 öffnet am morgigen Samstag ihre Tore für das Publikum. An den hundert Tagen bis zum 23. September werden mindestens 650.000 Besucher erwartet.

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