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Günter Schabowski zur Rolle der Kirchen in der DDR

070823_schabowski.jpgFulda. Die katholische Kirche wurde von den Machthabern in der DDR als eine Kraft begriffen, die „von einer anderen Zentrale gelenkt wurde“, die nicht manipulierbar gewesen und an die man nicht herangekommen sei. Dies betonte das frühere Politbüro-Mitglied Günter Schabowski jüngst bei einem Pressegespräch in Fulda, zu dem die Gesellschaft katholischer Publizisten (GKP) in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitstechnik eingeladen hatte.

Die kommunistische Führung, so Schabowski – dessen berühmte Erklärung auf einer Pressekonferenz am 9. November 1989 die Maueröffnung auslöste, habe großen Respekt vor der katholischen Kirche gehabt und von daher auch das Eichsfeld als „katholische Exklave“ respektiert. Das Regime glaubte hingegen, die evangelische Kirche beeinflussen zu können, doch übersah es dabei, dass es viele aufrechte evangelische Oppositionelle gab. Nach den radikalen Anfängen der DDR sei man dann überzeugt gewesen, daß sich das Christentum nicht ausrotten lasse. In der Regierungszeit Erich Honeckers habe man der evangelischen Seite Spielräume zugebilligt, und es sei das Konzept von der „Kirche im Sozialismus“ entstanden.

Günter Schabowski unterstrich in dem Gespräch auch, dass der Kommunismus mit seiner auf das Diesseits gerichteten Ideologie eine große Verführungskraft entfaltet und bei seinen Anhängern in der DDR zu einem absoluten Realitätsverlust in bezug auf das politisch und wirtschaftlich Mögliche geführt habe. Marx sei für ihn ein Philosoph, der geirrt habe, hob der frühere SED-Funktionär und langjährige Chefredakteur des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland“ hervor.

„Die DDR ist untergegangen, weil sie ihre bescheidenen Errungenschaften nicht mehr finanzieren konnte und die Menschen immer verärgerter über die wirtschaftliche Ineffizienz des Systems waren“, zeigte sich Schabowski überzeugt. Er selbst habe genug von marxistischen Experimenten, die alle versagt hätten. Die DDR sei von Anfang an ein „internationalistisches Produkt des Kommunismus“ gewesen.

Aus aktuellem Anlass bezog Schabowski, der bereits 1999 einmal in Fulda gesprochen hatte, Stellung zum Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze: „An der Grenze wurden unschuldige Menschen umgebracht, und ein Regime, das so etwas nötig hat, ist unmenschlich“. Er selbst räumte ein, dieses Faktum damals verdrängt zu haben, denn er habe noch an das kommunistische Konzept der Weltverbesserung geglaubt.

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