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In „Dein Weg“ macht sich Martin Sheen auf den Jakobsweg – Kritik von Thomas Bayer

Fulda. Eine Liebeserklärung an das Leben, so könnte man den Film „Dein Weg“ bezeichnen. Darin sucht ein Vater nach dem Tod seines Sohnes nach seinen Wurzeln. Inhalt: Als Tom Avery (Martin Sheen), ein amerikanischer Augenarzt, vom Tod seines Sohnes erfährt, fliegt er kurzerhand nach Spanien, um dessen Leichnam in die Heimat zu überführen. Tom hatte seit dem Tod seiner Frau kein sehr inniges  Verhältnis zu seinem Sprössling mehr.Kaum angekommen kann auch er sich der ungeheueren Anziehungskraft dieses „großen Weges der Christenheit“ nicht entziehen und begibt sich als Trauernder ebenfalls auf den Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Sein Weg wird ihn einmal quer durch Spanien, vom französischen Saint – Jean – Pied – de – Port über die Pyrenäen durch das Baskenland nach Pamplona, Viana, Logrono, Burgos, León, Astorga und Rabanal nach Santiago de Compostela führen.

Anfänglich will er nur die Asche seines Sohnes entlang des Weges verteilen, doch ein netter Polizist in Saint – Jean – Pied – de – Port sagt zu ihm „Sie laufen den Weg nicht für andere, sondern nur für sich selbst.“ Von Trauer völlig überwältigt läuft der völlig Untrainierte einfach los mit der Ausrüstung seines Sohnes. Bereits vor Beginn seiner Wanderung über die französischen Pyrenäen lernt er den völlig durchgeknallten Holländer Joost (Yorick Van Wageningen) kennen. Der raucht, was ihm in die Hände kommt und sagt, er wolle auf dem Weg abnehmen. Doch Tom hat keine Lust auf Gesellschaft und wimmelt den gutgelaunten Mann einfach ab.

Doch auch das lässt ihn nicht zur Ruhe kommen, in einer Unterkunft begegnet er der neugierigen Kanadierin Sarah (Deborah Kara Unger). Da Tom ihr nichts von seinen Beweggründen, den Weg zu gehen, erzählt, unterstellt sie ihm allerlei unschöne Dinge. Und trotzdem, fortan hat Tom in ihr, Joost und dem Irischen Schriftsteller Jack (James Nesbitt), der an einer Schreibblockade leidet, treue und stets loyale Wegbegleiter.

Der Weg führt die vier durch unwirkliche Landschaften, schroffe Bergwelten voller Naturschönheiten, prachtvolle Städte, zu Plätzen mit imposanten Ausblicken, Orten mit Jahrhunderte alter Geschichte und somit langsam aber sicher zurück zu sich selbst. In allen, aber besonders im verschlossenen Tom geht eine wundersame Wandlung vor sich. Er wird nicht mehr der sein, als der er seine Reise begann.

Der Camino – der Weg zum hl. Grab des Jakobus und darüber hinaus bis ans damals bekannte „Ende der Welt“ – ist ein Mythos und vielleicht deshalb ein Pilgerweg mit ungeheuerer Anziehungskraft, der seit vielen Jahrhunderten, Jahr für Jahr unzählige „Suchende“ in seinen Bann schlägt.

Seit Hape Kerkelings Bestseller „Ich bin dann mal weg“ (als Buch und Hörbuch erhältlich !) begeben sich auch immer mehr Deutsche auf den über 700 km langen Weg nach Santiago. Die Motive und Beweggründe der Pilger sind dabei recht unterschiedlich: Lebenskrisen, Sinnsuche, Krankheiten, Schicksalsschläge oder der Glaube, all das führt sie auf den langen Weg durch Spanien; fast wie eine nicht verstummende, innere Stimme.

Doch nicht das „Ziel ist der Weg“, sondern „der Weg ist das Ziel“, das muss auch Tom erkennen, der sich langsam öffnet, seine Verletzungen preisgibt und endlich wieder einmal lachen kann. Es sind gerade diese ruhigen, stillen Momente, die den Film so sehenswert machen.

Der Film lebt von schönen Landschaftsaufnahmen, aber viel mehr noch vom intensiven Spiel der unterschiedlichen Charaktere. Da ist der verschlossene  Tom, die verletzliche Sarah, der liebenswerte Joost und der verrückte Jack.
Zu viert gehen sie den Weg, tragen ab einem gewissen Punkt die Sorgen, Nöte und Ängste des anderen und werden schließlich Freunde.

„Dein Weg“ ist ein ruhiger, humorvoller, lebensfroher Film, der Zeit braucht, sich zu entwickeln. Genau an zwei Stellen wie der bei Toms Verhaftung und dessen Streit mit Sarah übertreibt der Film etwas, aber dennoch entsteht insgesamt ein unwahrscheinlicher Sog, ein Strudel, dem man sich nicht mehr entziehen kann. Die Schauspieler hatten augenscheinlich viel Spaß an ihrer Arbeit.

Einfühlsamer Film von Regisseur Emilio Estevez, der auch Toms Sohn spielt. Sein Film wurde auf dem Toronto Filmfestival begeistert aufgenommen. Ich habe ganz selten einen so optimistischen Film gesehen, der einen so berührt und ein so heikles Thema transportiert. Der Film macht Lust, den Weg für sich zu entdecken. Filmstart: 21. Juni 2012
(tb)

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