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Richter beklagen fehlenden Rückhalt in der Politik – Jahreshauptversammlung der Bezirksgruppe Fulda des Deutschen Richterbundes

Fulda. Die Gerichte und Staatsanwaltschaften geraten zunehmend in Gefahr, ihre Aufgaben nicht mehr mit der gebotenen Sorgfalt erfüllen zu können. Die Sorge, zwischen Sparpolitikern auf der einen und Rechtspolitikern auf der anderen Seite zerrieben zu werden, prägte die Jahreshauptversammlung des Deutschen Richterbundes im Bezirk des Landgerichts Fulda. Der Deutsche Richterbund ist der größte Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in Deutschland.

Auf der Jahreshauptversammlung am 30.11.2012 wurde der bisherige Vorstand der Bezirksgruppe Fulda (Vorsitzender Ulrich Jahn, stellvertretender Vorsitzender Dr. Patrick Liesching, Kassierer Jörg Latsch, Schriftführerin Karin Stock) im Amt bestätigt. Zur weiteren stellvertretenden Vorsitzenden wurde die Richterin am Amtsgericht Bad Hersfeld, Frau Heidrun Mondl gewählt. Frau Mondl ist bereits als Bezirksrichterrätin und Frauenbeauftragte für die Belange der Kolleginnen und Kollegen aktiv.

Im Land Hessen sieht sich die Justiz überproportionalen Sparanforderungen ausgesetzt. Um die Neuverschuldung entsprechend den Vorgaben der Schuldenbremse auf Null zu bringen, sollen die jährlichen Ausgaben des Landes strukturell um 500 Mio. Euro gesenkt werden. Gemessen am Anteil des Justizhaushalts an den Gesamtausgaben des Landes (4 %) müsste der Sparbeitrag der Justiz rechnerisch 20 Mio. Euro betragen, so der Vorsitzende Jahn. Tatsächlich würden der Justiz jedoch 30 Mio. Euro an Einsparungen abverlangt. Realisiert werden soll dies vor allem durch Personalabbau.

Neben dem Verlust von 30 Richterstellen bis 2016 sei besonders schmerzlich der Abbau von 210 Stellen im mittleren Dienst und Folgedienst. Der Verlust von 8,3 % der Stellen in diesem Bereich werde laut Jahn dazu führen, dass Richter und Staatsanwälte zunehmend Bürotätigkeiten mit übernehmen müssten, anstatt sich um ihre Kernaufgaben kümmern zu können. Zudem müsse die Mammutaufgabe der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs bei Gerichten und Staatsanwaltschaften ab 2016 mit bereits reduziertem Personalbestand gestemmt werden. „Hier sollen die erhofften Rationalisierungsgewinne geerntet werden, bevor die Rationalisierungen überhaupt durchgeführt werden“, beklagte Jahn.

Den Rechtspolitikern insbesondere auf Bundesebene scheinen die Sparzwänge bei Gerichten und Staatsanwaltschaften hingegen unbekannt zu sein. Im Bestreben, den Rechtsstaat stetig zu verfeinern, werden von dort – meist mit Zustimmung der hessischen Landesregierung im Bundesrat – den Gerichten und Staatsanwaltschaften per Gesetz noch allzu gern neue kosten- und personalintensive Aufgaben aufgebürdet. Jahn erinnerte in diesem Zusammenhang an das neu geschaffene Institut des Güterichters im Zivilprozess oder den im Vermittlungsausschuss befindlichen Gesetzentwurf zur Einführung einer Pflicht zur Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess.

Im aktuellen Entwurf eines Bundesgesetzes zur Regelung der ärztlichen Heilbehandlung unter rechtlicher Betreuung stehender Personen gegen deren Willen sei die richterliche Genehmigung nicht nur für gravierendere körperliche Eingriffe vorgesehen, sondern schon für jede einfache ärztliche Untersuchung. So werde etwa die zahnärztliche Routinekontrolle bei Ablehnung durch den Betreuten zukünftig der richterlichen Genehmigung bedürfen. Erforderlich seien dann die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und die persönliche Anhörung des Betreuten durch den Richter, eventuell auch noch die Bestellung eines Verfahrenspflegers. Die Mehrbelastung der Gerichte mit Arbeit und Kosten sei enorm bei zweifelhaftem Mehrwert für die Betroffenen, so Jahn.

Am Beginn des Sparens in der Justiz müsse die politische Entscheidung stehen, welche justitiellen Aufgaben man sich leisten kann und will. Erst nach einer entsprechenden Entschlackung der Rechtsordnung lasse sich Personal ohne Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften einsparen. Derzeit verfahre die Politik jedoch leider nach dem Motto „Der Rechtsstaat ist uns lieb und teuer, nur kosten darf er nichts“, bilanzierte Jahn abschließend.

Foto von links nach rechts: Dr. Liesching, Stock, Latsch, Mondl, Jahn

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