Logo

Fuldaer Bewegungs-Check als Exportschlager nach Fernost?

Fulda/Shanghai. Als Andreas Hohmann im vergangenen Oktober nach China reiste, führte er mit dem Fuldaer Bewegungs-Check ein Gastgeschenk der besonderen Art im Gepäck. In der Sporthochschule der 20-Millionen-Metropole Shanghai hatte der 55-jährige eine dreimonatige Gastprofessor für Trainings- und Bewegungslehre übernommen, die neben Lehrverpflichtungen und der Teilnahme an zwei internationalen Konferenzen ein Forschungsprojekt beinhaltete.

In Absprache mit dem ihn betreuenden einheimischen Kollegen, der als Berater der chinesischen Tischtennis-Nationalmannschaft fungiert, entschied sich der Sportwissenschaftler aus Petersberg,  der an der Universität Bayreuth einen Lehrstuhl für Trainings- und Bewegungswissenschaft hat und auch Präsident der Wasserfreunde Fulda ist, für den Bewegungs-Check. Beim Fuldaer Bewegungs-Check handelt es sich um eine aus neun Übungsaufgaben bestehende neunteilige Testreihe zur Ermittlung der sportmotorischen Leistungsfähigkeit von Kindern im Grundschulalter. Der Bewegungs-Check ist Teil einer Kampagne des Landkreises und der Stadt Fulda in Zusammenarbeit mit der Universität Bayreuth zur nachhaltigen Bewegungs-, Gesundheits-, Sport- und Talentförderung in der Region Fulda.

350 Mädchen und Jungen aus zehn Grundschulen eines Stadtteils von Shanghai absolvierten den Fuldaer Bewegungs-Check und zeigten überraschende Ergebnisse, wenn man sich vergegenwärtigt, dass China eine führende Sportnation in der Welt ist und beispielsweise bei den letzten Olympischen Spielen in London nach den USA die zweitmeisten Goldmedaillen errungen hat. Lediglich in der Koordination und Beweglichkeit wiesen die chinesischen Kinder bessere Werte auf. Hingegen lag die vergleichbare Altersgruppe aus Fulda bei der Kraft und Ausdauer vorne. Die Ergebnisse wurden im Rechenzentrum der Universität Bayreuth ausgewertet und online zurück nach Shanghai übermittelt, so dass die teilnehmenden Kinder gleich an Ort und Stelle ihre Urkunden entgegennehmen konnten.

Wie aber sind die sportartenübergreifenden Erfolge von Athleten aus China zu erklären, wenn deutsche Kinder in vielen Bereichen zumindest mithalten können und Begabungsunterschiede offensichtlich eine untergeordnete Rolle spielen? Sportwissenschaftler  Hohmann nennt als entscheidenden Grund eine systematische, intensive und sehr individuell ausgerichtete Talentförderung, die bereits im Kindergarten beginne und nach seinen Beobachtungen nur wenig mit dumpfen Drill als vielmehr mit einer vielseitigen und fachlich fundierten Vermittlung  technischer Grundlagen zu tun habe. Während die Versorgung mit öffentlich zugänglichen Sportstätten in China eher unterdurchschnittlich sei, gebe es außerschulische Trainingszentren, in denen hochqualifizierte Sportlehrer  arbeiteten, die großen Wert auf die Schulung des gesamten Bewegungsapparats legten.

In diesen Zentren finde  eine gezielte Ausbildung zum Leistungssportler statt, beschreibt Hohmann seine Eindrücke. Interessierte Eltern stellten dort ihre Kinder vor, die nach bestimmten Kriterien ausgewählt würden, wobei man jedoch im Gegensatz zur früheren DDR keine flächendeckende Sichtung kenne. An den Grundschulen sei die tägliche Sportstunde für alle Kinder obligatorisch. Für besonders begabte ältere Kinder und Jugendliche gebe es in ganz China spezielle Sportschulen, die vor allem auf dem Land schon wegen der besseren Verpflegung attraktiv seien. In einer interkulturellen Vergleichsstudie will Hohmann jetzt der Frage nachgehen, wie sich die unterschiedliche Anzahl von Sportstunden nach einem Jahr auf das Abschneiden beim Fuldaer Bewegungs-Check auswirkt.

Categories:

Alle Nachrichten, Sport, Topthema