Logo

Traditionen im Landkreis Fulda: Helmut Kümmel (74) aus Ebersberg stellt seit vierzig Jahren „Klappern“ für die Kartage her

Ebersburg/Ebersberg. Im überwiegend katholisch geprägten Landkreis Fulda ist die Zeit zwischen dem Abendmahlsgottesdienst an Gründonnerstag und dem Auferstehungsgottesdienst in der Osternacht traditionell mit dem Klappern verbunden. An den Tagen der Grabesruhe Jesu schweigen auch die Kirchenglocken. Sie seien nach Rom geflogen, heißt es im Volksmund. In dieser Zeit des Schweigens übernehmen Klapperjungen und -mädchen, meist Messdienerinnen und Messdiener, die Funktion der Glocken. Dabei benutzen sie je nach Ortschaft ganz unterschiedliche Klappern, mit denen sie an das Angelusgebet (Engel des Herrn) um sechs Uhr morgens, zwölf Uhr mittags und sechs Uhr abends erinnern und zu den Gottesdiensten einladen.

Einer, der sich mit „Klappern“ bestens auskennt, ist Helmut Kümmel (74) aus der Rödersbach, einer Ansammlung von sieben Gehöften, die zum Ortsteil Ebersberg der Gemeinde Ebersburg gehören. In der Werkstatt im Anbau und Keller seines Hauses stellt er Klapper­spatzen, bewegliche Holzhämmerchen, die beidseitig auf ein geschwungenes Holzbrett mit Stiel schlagen – in manchen Regionen nur „Klapper“ genannt -, Klapperkästen mit offenem Schallkasten, Drehwelle mit Nocken und mehreren Hämmerchen – auch als „Ratschen“ bekannt – sowie thüringische Klappern her.

Er sei Schreiner mit Leib und Seele. Für ihn der einzig richtige Beruf, wie er meint. Bei seinem Großvater, einem „Alleskönner“, der im Nachbargehöft lebte, habe er als kleiner Junge beim Arbeiten mit Holz zugesehen. Der Umgang mit der Drechselmaschine habe ihn fasziniert. Stolz zeigt Helmut Kümmel Drechseleisen, die er von seinem Großvater geerbt hat und heute noch benutzt. So war es für ihn in der Nachfolge von Großvater und Vater, letzterer war Schreinermeister, nur konsequent, das Schreinerhandwerk zu erlernen. Nach der Schreinerlehre bei der Firma Richard Semmler Treppenbau, Dietershausen, arbeitete er 40 Jahre bis zu seiner Pensionierung in 2000 im Fensterbaubetrieb Schlehuber in Weyhers.

„Onkel Helmut, ich bruch e Klapper“ – die Bitte seines Neffen Thomas Lang war vor fast vierzig Jahren Auslöser, mit seinem Hobby, dem Bau von unterschiedlichen Klappern, zu beginnen. Die notwendigen Gerätschaften habe er sich nach und nach angeschafft. Wenn ihn in seinem Alter eine Krankheit plage, dann schlüpfe er in den Blaumann und werde wieder gesund, sagt Helmut Kümmel verschmitzt lächelnd. Drei Tage brauche er, um einen ordentlichen Klapperkasten, der aus 35 Einzelteilen besteht, oder fünf Klapperspatzen herzustellen. Dabei kommen ihm seine künstlerischen Fähigkeiten zu Gute. Jedes Teil aus unterschiedlichen Holzsorten müsse einzeln gesägt, zugeschnitten, gedrechselt, ineinandergefügt, geschliffen und lackiert werden.

Dabei achtet Helmut Kümmel sehr genau darauf, dass alles exakt aufeinander abgestimmt ist, arbeitet mit der Schieblehre und hat sich zum Beispiel für die Nocken und die Walze des Klapperkastens passgenaue Schablonen gefertigt, um die Einfräsungen und Bohrungen richtig zu setzen. Nut und Feder haben die Wangen und Deckel aus Kiefer- oder Birkenholz des Klapperkastens. Es dürfe sich beim Verleimen und Einspannen in die Schraubzwinge nichts verschieben. Die Welle sei aus Kirschbaum und einem anderen Hartholz. Für ihn komme nur beim Klapperkasten Eschenholz als Feder und für die Hämmer des Schlagwerks Eichenholz in Frage. Das Holz müsse eine gewisse Spannung aushalten und dürfe mit den Jahren nicht ermüden. Die richtigen Holzsorten, trocken und abgelagert, seien entscheidend, sagt der talentierte Handwerker.

Immer wieder bestellen Eltern für ihre Kinder bei ihm Klapperspatzen oder Klapperkästen, die 25 beziehungsweise 55 Euro kosten. Aus dem ganzen Landkreis Fulda kommen die Interessenten. Er habe schon bis nach Soisdorf, immerhin über 60 Kilometer entfernt, geliefert. Die Mädchen und Jungen müssten vor dem Kauf die Klappern in Augenschein nehmen und ausprobieren können. Denn eine Klapper sei ein ganz persönliches Gerät, meint er. Man müsse sie lieben lernen. In manchen Orten wie in Weyhers werde schon vier bis sechs Wochen vor den Kartagen der richtige Rhythmus eingeübt. In Lütter gingen die Anfänger erst zwei Jahre mit den Klapperspatzen mit, bevor sie die Klapperkästen benutzen dürften, berichtet Helmut Kümmel. Man dürfe nicht geräuschempfindlich sein, wenn Klapperspatz oder Klapperkasten im geschlossenen Raum ausprobiert werde. Denn sie sollten ja die Menschen in den Orten zusammenrufen. Und da müsse der Ton eben laut sein, um nicht überhört zu werden. (Foto & Text: Möller)

Categories:

Alle Nachrichten, Kultur & Unterhaltung