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Zweiklassenpersonal im Stadtschloss? Interessante Diskussion über proCommunitas Fulda

proCommunitas_012Fulda. AmSamstagabend fand im Mercado am Fuldaer Gemüsemarkt die von der GRÜNEN-Stadtfraktion Fulda initiierte Diskussion über die städtische Leiharbeitsfirma proCommunitas GmbH Fulda statt. 30 am Thema interessierte und informierte Menschen diskutierten über die Praktik der Stadt Fulda, mittlerweile circa 350 bei der Stadtverwaltung arbeitende Menschen nicht direkt anzustellen, sondern über die eigene Zeitarbeitsfirma zu beschäftigen. Viele dieser Menschen arbeiteten zusammen mit regulär bei der Stadt angestellten, verrichteten die gleiche Arbeit, doch erhielten in der Regel eine erheblich geringere Bezahlung – und oft wüssten die Kolleginnen gar nicht, wer über die proCommunitas beschäftigt ist.

Foto: Walter Rammler
Der Titel der Veranstaltung: „Zweiklassenpersonal im Stadtschloss Fulda? ProCommunitas und Stadtverwaltung: Gleiche Arbeit! – Gleiche Arbeitsbedingungen?“ lässt sich nach der Diskussion beantworten mit: „Bisher leider noch, doch es gibt Anlass zur Hoffnung, dass sich das ändern wird.“

Moderiert wurde der Informations- und Meinungstausch souverän von Alja Epp-Naliwaiko. Das Podium war kompetent besetzt mit Uwe Tischler, der seit vielen Jahren als Hausmeister für die Stadt Fulda arbeitet, doch bei proCommunitas beschäftigt ist – und so für die gleichen Arbeitsleistungen wie andere städtische Hausmeister rund 25 Prozent weniger Einkommen erhält, Daniela Suttner, ver.di-Gewerkschaftssekretärin für den Bereich Kommunen, DGB-Sekretär Klaus Schüller und dem GRÜNEN-Stadtfraktionschef Ernst Sporer. Leider nicht gekommen waren die proCommunitas-Geschäftsführer Lothar Happ und Lothar Helmer. Beide Herren sind hauptberuflich bei der Stadtverwaltung beschäftigt und erledigen dabei auch die Geschäftsführeraufgaben. Die Erlaubnis, an der Diskussionsrunde teilzunehmen, erteilte Dienstherr Oberbürgermeister Gerhard Möller leider nicht. So blieben einige der aufkommenden Fragen ungeklärt – beispielsweise: „Wie ist es möglich, dass auch Auszubildende bei der städtischen Zeitarbeitsfirma beschäftigt sind.“

Ernst Sporer skizzierte die Historie. Noch unter OB Alois Rhiel wurde die Gesellschaft 2003 gegründet. Damals unspektakulär damit begründet, den Verwaltungsaufwand für die Beschäftigung von Honorarkräften u. ä. bei einer Stelle zu bündeln. Doch schon recht bald zeichnete sich ab, dass Oberbürgermeister Möller die Gesellschaft dazu nutzte, den finanziellen Personalaufwand zu senken bzw. „diese Mittel den Beschäftigten vorzuenthalten“, wie ver.di-Vertreterin Suttner klarstellte.

„Seit 2004 kritisieren wir diese ungerechte Praktik, fordern auf, Betriebsversammlungen und die Gründung eines Betriebsrates nicht länger zu blockieren und warnen vor den Folgen auf das Arbeitsklima. Ende letzten Jahres konnten wir endlich einen kleinen Erfolg verbuchen. Oberbürgermeister Möller sagte zu, alle proCommunitas-Beschäftigten, die länger als vier Jahre von der Stadt ausgeliehen sind, in die Stadtverwaltung zu übernehmen.“ GRÜNE und SPD kündigten ihrerseits an, zu kontrollieren, ob und wie diese Ankündigung auch umgesetzt wird.

„Allerdings verdunkelt sich dieser Lichtstreif am Horizont dadurch, dass durch die proCommunitas immer weiter neue Stellen ausgeschrieben werden.“ Uwe Tischler ergänzte: „Die proCommunitas-Beschäftigten haben es schwerer als andere, für ihre Belange einzutreten. Selbst die Einberufung einer Betriebsversammlung wird blockiert. Der Personalrat ist bei den Zeitarbeitern beispielsweise bei Fragen zum Arbeitsentgelt gar nicht zuständig.“ Außerdem würde bei einigen selbst der Zeitarbeitertarif unterboten.

Die Thematik der Auswirkungen der schlechten Bezahlung der Erzieherinnen nahm einen breiten Raum ein. Dieser Beruf sei gemessen an Ausbildungszeit und Verantwortung sowieso schon schlecht bezahlt – leider noch typisch für Frauenberufe, die dadurch auch weiterhin das Los tragen müssten, für Männer nicht interessant zu sein. „Die durch proCommunitas beschäftigten Erzieherinnen erhalten dazu noch weitere 11 Prozent weniger. Diese Diskrepanz erhöht sich, da die Steigerung wegfällt, die TVöD-Beschäftigte mit den Jahren erhalten“, kritisierte Daniela Suttner.

Die Befürchtung wurde laut, dass der in weiten Teilen Deutschlands zu verzeichnende Fachkräftemangel im Erziehungsbereich in Fulda zu gravierenden Problemen führen wird – weil sich viele überlegen werden, zu weitaus besseren Bedingungen in anderen Teilen Hessens zu arbeiten.

Klaus Schüller erklärte den komplexen rechtlichen Sachverhalt. Das 2011 aufgrund europäischer Richtlinien geänderte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz beschäftige die Gerichte, da der Begriff ‚vorübergehend‘ nicht näher bestimmt sei. Auch werde derzeit der für Zeitarbeitsfirmen geltende Tarifvertrag überarbeitet. Der gelte für die Betriebe, die dem IGZ (Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen) angehörten, so auch für die proCommunitas.
Das Instrument Zeitarbeit sei eingerichtet worden, damit Unternehmen flexibel auf saisonal aufkommende Auftragsspitzen u. ä. reagieren könnten. Der allergrößte Teil der bei proCommunitas-Beschäftigten verrichtete solche Tätigkeiten jedoch gar nicht. „Ein Beispiel: Für die Beschäftigung der Ersatzkraft für eine in der Erziehungszeit befindlichen Erzieherin ist das arbeitsrechtlich korrekte Instrument ein befristeter Arbeitsvertrag.“

Daniela Suttner bezeichnete die proCommunitas GmbH Fulda und das ähnlich arbeitende Pendant des Landkreises, die Rhöntourismus und Service GmbH, als das „Geschäftsmodell Fulda“, denn eigene Zeitarbeitsfirmen unterhielten in Hessen ihres Wissens keine anderen Kommunen.

Im Rahmen eines Informationsstandes der Gewerkschaft wurden Passanten gefragt, wie sie die Personalpolitik des Oberbürgermeisters bewerten würden. Fast durchgehend wurde das Attribut „ungerecht“ verteilt. Genau dieser Faktor war es auch, der die Caritas zum Umdenken bewog. Ein Mitarbeiter informierte darüber, dass der Caritasverband zum 1. Juli diesen Jahres alle seine Leiharbeiter regulär einstellen wird – zum gleichen Tarif wie die bisher auch schon bei der Caritas Tätigen und damit die Beschäftigungsfirma quasi abschafft. Diese Information wurde mit großem Beifall quittiert.

Demgegenüber steht die Drohung des Fuldaer Oberbürgermeisters, sowohl aus dem Arbeitgeberverband für den öffentlichen Dienst, als auch aus dem IGZ auszutreten – und damit freie Hand zu haben, alle bei der Stadtverwaltung tätigen Menschen unterdurchschnittlich zu bezahlen.

Ernst Sporer resümierte, dass sich in Fulda auf diesem Gebiet nur nachhaltig was ändern werde, wenn der öffentliche Druck nicht nachlasse. „Die ARD-Sendung Panorama (Erstausstrahlung am 11. Oktober 2012 von 21:45 bis 22:15 Uhr in der ARD), die die Fuldaer Praktik kritisch beleuchtet hat, war sicher nicht unschuldig an dem Zugeständnis des Oberbürgermeisters, lang ausgeliehene proCommunitas-Beschäftigte in die Stadtverwaltung zu übernehmen. In der werteorientierten Fuldaer Bevölkerung kommt die ungerechte Personalpolitik des OB-Möller gar nicht gut. Ich habe die Hoffnung, dass sich die Fuldaer Christlich Demokratische Union an dem guten Beispiel der katholischen Caritas orientieren wird.“

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