Malteser starten Modellprojekt zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege – Förderung durch Sozialministerium
Fulda. Tagsüber gehen sie arbeiten, abends kümmern sie sich um ihre pflegebedürftigen Familienmitglieder: Rund zwei Millionen Beschäftigte in Deutschland pflegen neben ihrem Job einen Angehörigen. In Fulda ist das vom Hessischen Sozialministerium geförderte Modellprojekt der Malteser „Beruf & Pflege vereinbaren“ gestartet. Mit individuell auf den Bedarf des jeweiligen Unternehmens und seiner Mitarbeiter zugeschnittenen Entlastungsangeboten sollen Beschäftigte dabei unterstützt werden, die Anforderungen des Berufsalltags und der Pflege zu meistern.
In einer Pressekonferenz am Donnerstag, 18. April, präsentierten die Malteser das Projekt gemeinsam mit Petra Müller-Klepper, Staatssekretärin im Hessischen Sozialministerium, Dr. Heiko Wingenfeld, Erster Kreisbeigeordneter des Landkreises Fulda, und den teilnehmenden Unternehmen Sparkasse Fulda, Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda gGmbH sowie der Steuerberatungsgesellschaft Dr. Gebhardt + Moritz.
„Ein großer Anteil der Pflegebedürftigen in Hessen wird von berufstätigen Angehörigen gepflegt. Bereits heute pflegt jeder siebte Mitarbeiter über 40 Jahre einen Angehörigen zu Hause. In Hinblick auf den demografischen Wandel wird diese Zahl in Zukunft voraussichtlich weiter steigen, deshalb hat die Hessische Landesregierung die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf in den Fokus gestellt und fördert Maßnahmen, die pflegende Angehörige entlasten sollen. Das Modellprojekt der Maltester unterstützen wir, weil hiermit nach tragfähigen Lösungen gesucht wird, sowohl den pflegenden Angehörigen als auch den Unternehmen mit ihrem Bedarf an Fachkräften gerecht zu werden“, so Staatssekretärin Müller-Klepper.
„Die Pflege eines Familienmitgliedes zu übernehmen, ist für viele Menschen eine Herzensangelegenheit und enorme Doppelbelastung zugleich. Oftmals führt sie dazu, dass pflegende Mitarbeiter ihren Stellenumfang reduzieren oder den Job ganz aufgeben“, sagt Ulf Reermann, Geschäftsführer der Malteser für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, und ergänzt: „Möchten Unternehmen ihre Mitarbeiter halten, müssen sie Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege machen. Eine Aufgabe, die in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels immer relevanter wird.“
Die Sparkasse Fulda, die Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda gGmbH sowie die Steuerberatungsgesellschaft Dr. Gebhardt + Moritz nehmen diese Aufgabe ernst: Sie sind die ersten drei Unternehmen, die an dem Modellprojekt der Malteser „Malteser Service: Beruf & Pflege vereinbaren“ teilnehmen. Alois Früchtl, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Fulda, sieht das Projekt als wichtigen Schritt, der Pflege alter und kranker Menschen durch ihre erwerbstätigen Familienangehörigen die verdiente Aufmerksamkeit zu schenken: „Von Einzellösungen abgesehen, fehlt es bisher an einem Gesamtüberblick. Wir sind sehr daran interessiert, mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern offen über ihre Beanspruchung zu reden und situationsgerechte Lösungen zu entwickeln.“
Möchte ein Unternehmen seine Beschäftigten binden, kommt es an dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege nicht vorbei, findet Dr. Christian Gebhardt, Geschäftsführer der gleichnamigen Steuerberatungsgesellschaft: „Will man seinen Mitarbeitern Sicherheit geben und Entwicklungspotential fördern, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Baustein dazu, der aus Kinderbetreuung einerseits, und Pflege andererseits besteht.“ Michael Sammet, Geschäftsführer der Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda gGmbH, sieht in dem gemeinsamen Projekt einen wichtigen Ansatz, Beruf und Privatleben planbarer vereinbaren zu können. „Gerade in der heutigen Zeit, in der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ein wichtiges Thema ist, müssen wir uns dem stellen und nicht nur punktuell, sondern strukturiert Lösungen erarbeiten“.
In dem Malteser Modellprojekt wird im ersten Schritt in den teilnehmenden Unternehmen eine wissenschaftlich fundierte Bedarfsanalyse durchgeführt, die vom Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK), Zentrum der Goethe-Universität Frankfurt am Main, erarbeitet wird. Diese dient dazu herauszufinden, in welcher Situation sich die pflegenden Mitarbeiter befinden und welche Unterstützung sie benötigen. Ausgehend von den Ergebnissen, erstellen die Malteser ein Konzept, wie die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege verbessert werden kann. „Wie das aussieht, ist genauso individuell wie jedes Unternehmen und seine Mitarbeiter. Pflegende Angehörige im Schichtdienst benötigen andere Hilfestellungen als solche, die jeden Abend um 18 Uhr zuhause sind. Mittelständler haben andere Bedürfnisse als internationale Konzerne“, sagt Reermann.
Mögliche Entlastungsangebote reichen zum Beispiel von der Information rund um die Pflege, über Seminare zum Umgang mit Stress, bis hin zur Unterstützung bei der Organisation – von Anträgen bei der Pflegekasse, Terminen mit dem Medizinischen Dienst bis zu Absprachen mit Ärzten, Pflegediensten usw. Aber auch der Geschäftsleitung und Führungskräften stehen die Malteser beratend zur Seite, beispielsweise bei Fragen zu gesetzlichen Ansprüchen von pflegenden Mitarbeitern. „Das Besondere an dem Modellprojekt der Malteser ist es, dass wir sowohl die Unternehmensleitung als auch die Mitarbeiter unterstützen: Erstere beim Umsetzen einer pflegesensiblen Personalpolitik, Letztere mit Information und konkreter Hilfe im Pflegealltag“, so Reermann.
Dr. Heiko Wingenfeld, Erster Kreisbeigeordneter, begrüßt, dass Modellprojekt im Landkreis Fulda umgesetzt wird: „Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst aufgrund der immer älter werdenden Gesellschaft auch im Landkreis Fulda stetig an. Dabei werden mehr als die Hälfte der zu pflegenden Personen in ihrem häuslichen Umfeld durch ihre Angehörigen versorgt und betreut. Gerade deshalb müssen die Angehörigen noch besser unterstütz werden, um diese Herausforderung meistern zu können. Gemeinsam mit den Maltesern können wir hier neue Wege gehen.“
Die Malteser laden weitere Unternehmen – nicht nur aus Fulda – ein, an dem Projekt zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege teilzunehmen. Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.malteser-fulda.de.
Hintergrund:
- Laut Statistischem Bundesamt leben in Deutschland 2,5 Millionen Menschen, die im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) pflegebedürftig sind. Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 auf 3,4 Millionen steigt.
- 70 Prozent der Pflegebedürftigen und damit 1,76 Millionen Menschen werden zuhause von Familienmitgliedern betreut. Insgesamt gibt es in Deutschland 4,6 Millionen pflegende Angehörige.
- Fast die Hälfte der pflegenden Angehörigen ist berufstätig. Damit tragen über 2 Millionen Menschen die Doppelbelastung Beruf und Pflege.
- Die Pflege eines Angehörigen nimmt im Durchschnitt 5 Stunden am Tag in Anspruch. 68 Prozent der Betroffenen bestätigen, dass Beruf und Pflege nur schwer zu vereinbaren sind.
- Tritt ein Pflegefall in der Familie ein, reduziert knapp die Hälfte der erwerbstätigen Pflegenden ihre Arbeitszeit oder gibt den Job ganz auf.
- In Hessen sind 199.655 Menschen auf Pflege angewiesen. Die Zahl derjenigen, die zuhause von einem Angehörigen gepflegt werden, liegt mit 75,8 Prozent über dem Bundesdurchschnitt.
- Jeder siebte Mitarbeiter in Hessen über 40 Jahre pflegt ein Familienmitglied.