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Naturschutzbeirat möchte einen kreisweiten Biotopverbund schaffen – Pappelfällung bei Neuhof Teil des Konzeptes

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Landkreis Fulda. Der Naturschutzbeirat des Landkreises Fulda bastelt seit etwa drei Jahren an einem Mosaik. Nicht etwa, dass die Beiratsmitglieder tatsächlich farbige Steinchen zusammenfügen, aber bei all ihren Abwägungen haben sie ein Bild vor Augen, dem sie schrittweise näher kommen möchten: eine zusammenhängende Fläche, die dem Erhalt von Tier- und Pflanzenarten dient, also ein Verbund bestehender und neu zu schaffender Biotope, zwischen denen die Lebewesen ungehindert wandern können.

Das Konzept dazu hat Matthias Müller, der Vorsitzende des Naturschutzbeirates, eingebracht. „Wir müssen berücksichtigen, dass wir hier in einer dicht besiedelten, landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft und nicht in einer Wildnis leben“, erläutert Müller. Außerdem habe der Mensch die Natur seit Jahrhunderten zurückgedrängt; diese Entwicklung umzukehren, brauche Zeit. Inzwischen habe ein Umdenken eingesetzt, meint der 49-Jährige, und verweist auf die breite Unterstützung des Projekts seitens der Naturschutz-, Forst- und Straßenbau-Behörden sowie der Landwirtschaft und der Gemeinden.

Gute Ansätze seien im Hünfelder Land zu erkennen: Hier gibt es einen zusammenhängenden Korridor von etwa 30 Kilometer Luftlinie, der sich vom „Grünen Band“ bei Rasdorf über die Kuppenrhön mit Steiger, Stallberg und Wisselsberg, über das Feuchtwiesenflurstück „Weihers“ bei Hünfeld und von dort aus zum Kirschberg, der Praforst und dem Michelsrombacher Wald zieht. Die Landschaft sei natürlich strukturiert mit Auen, mäandernden Flüssen und  Wäldern. Dabei sei eine extensive Nutzung der Verbundflächen möglich und sogar erwünscht.

Eine wichtige Rolle in diesem Netz spielt die Grünbrücke über die A7  bei Michelsrombach. Allein betrachtet, stechen erst einmal die Kosten des aus dem Konjunkturprogramm II des Bundes finanzierten Bauwerks ins Auge. Doch wie bei einzelnen Mosaiksteinen erschließt sich die Bedeutung erst in der Gesamtbetrachtung. Dies gilt als aktuelles Beispiel auch für die geplanten Pappelfällungen bei Neuhof, die Proteste ausgelöst haben. Der Naturschutzbeirat hatte der Maßnahme zugunsten eines längerfristigen Naturschutzziels, nämlich der Renaturierung der Fliede, zugestimmt. Müller erklärt: „In den kommenden Jahren sind im Landkreis weitere Fällungen zu erwarten, etwa dann, wenn Pappelreihen geplante Leitstrukturen unterbrechen.“ Denn diese nicht einheimische Baumart stelle Untersuchungen zufolge eine Barriere für verschiedene Vogelarten dar.

Neben solchen „Entschneidungsprojekten“ und – wo möglich – der Verhinderung weiterer Zerschneidungen sieht das Konzept für den Biotopverbund vor, dass sich nach der Fliede in nächster Zeit auch der Döllbach und die Haune zwischen Petersberg und Dipperz wieder in einem naturgemäßen Flussbett schlängeln sollen.

Einen weiteren Schwerpunkt setzt der Beirat auf Feuchtwiesen, um Lebensraum für Bodenbrüter zu schaffen. Denn deren Zahl ist im Kreis in den vergangenen Jahren rapide zurückgegangen. Da es sich beim Ökosystem um ein Verbundsystem handele, mache sich das Ausfallen eines Glieds in der Nahrungskette sofort bemerkbar: in diesem Fall die „weggespritzten“ Insekten im landwirtschaftlichen Boden, wodurch Vögeln die Nahrungsgrundlage entzogen werde, betont der Vorsitzende des Naturschutzbeirats.

Laut Müller ist es notwendig, dass die Menschen begreifen, dass auch sie Teil dieses Ökosystems und von dessen Funktionieren abhängig sind. Manchmal zeigt sich der Gewinn nach einem Einsatz für die Natur sogar unmittelbar, wie bei den wieder mäandrierenden Flüssen: Diese weisen nicht nur eine höhere Artenvielfalt auf, sondern sind auch weniger hochwassergefährdet.

Realisiert werden soll das Konzept über Ausgleichsmaßnahmen und Beiträgen des Naturschutzes. Müller erwartet, dass sich in den kommenden Jahren der Druck auf die Natur in der Region massiv verstärken werde: durch Windkraft, Stromtrassen und Verkehrsprojekte. Vieles davon wie die Energiewende erachtet er als erforderlich, aber für die Eingriffe müsse der Natur wenigstens genügend Ausgleichsfläche zur Verfügung gestellt werden. Denn egal, ob die nächste Generation in einem infrastrukturell boomenden Osthessen in der Mitte Europas lebt oder sich (beispielsweise als Folge des demografischen Wandels) wieder mehr ursprüngliche Naturlandschaft in der Rhön ausbreiten kann – in beiden Visionen ist für die Spezies Mensch der Erhalt der Artenvielfalt und der Hauptlebensgrundlagen unabdingbar.

 

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