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„Was Häuser und Wege erzählen. Die Frauensiedlung Loheland im Kontext der Moderne des 20. Jahrhunderts“ – Tagung fand am 29. und 30. Mai in Loheland statt

„Die besondere Atmosphäre des Geländes mit dem wunderschönen Blick über die umgebende Landschaft lässt klar erkennen, was Louise Langaard und Hedwig van Rhoden, die beiden Gründerinnnen von Loheland, bewogen hat, sich nach siebenjähriger Wanderschaft 1919 hier niederzulassen. Hier fanden sie die Ruhe und die Abgeschiedenheit, um ihre Ideen einer anderen Lebensart und eines neuen Verständnisses der Arbeit zu verwirklichen,“ sagte Dr. Markus Harzenetter, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen, bei der Eröffnung der Tagung „Was Häuser und Wege erzählen. Die Frauensiedlung Loheland im Kontext der Moderne des 20. Jahrhunderts.“

Harzenetter sagte weiter, Gymnastik, Landbau, Handwerk und Kunst seien die wesentlichen Elemente des Konzeptes der beiden Gründerinnen gewesen, die die ersten Silben ihrer Vornamen miteinander verbunden hätten, um das von ihnen erworbene Gelände als „Loheland“ zu benennen.

Bauen sei bei der Gründung  ein notwendiger Prozess gewesen, um das weitläufige, bewaldete Gelände durch Gebäude und verbindende Wege zu formen und zu strukturieren. Sowohl an den Gebäuden, als auch an der Struktur der Wege ließe sich bis heute die besondere Ideenwelt der Loheländerinnen ablesen. Ihre Geisteshaltung „Leben ist Bewegung – Bewegung lebendige Form“  habe sich bis heute in der besonderen Stimmung des Ortes, seiner Gebäude und seiner Wege erhalten. Anders als heute sei Gymnastik dabei ein grundlegender Akt gewesen, um sich durch den Körper in geistige Beziehung zum Raum zu setzen und sich somit im wahrsten Sinne des Wortes zu „verorten“. Eine besondere Bedeutung spielten der Tanz und die Ausbildung junger Frauen zu Gymnastiklehrerinnen. Aber auch das Bauen mit heimischen Materialien, die Ernährung mit Erzeugnissen aus der regionalen Landwirtschaft und das Herstellen von Leder, Textil- und Keramikprodukten aus eigenen Werkstätten spielten eine wichtige Rolle.

Die Erhaltung der Siedlung Loheland ist im öffentlichen Interesse

Derzeit wird die Siedlung Loheland von Seiten des Landesamtes für Denkmalpflege als Gesamtanlage mit Einzeldenkmälern ausgewiesen und gehört damit zum Bestand der Kulturdenkmäler in Hessen, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse ist.

Die Ausweisung des Ensembles als Kulturdenkmal war Anlass für die Tagung, deren Ziel es war, die erste anthroposophische Siedlung Deutschlands einer größeren Zahl von Wissenschaftlern, Bauenden, Planenden und Bürgern bekannt zu machen.

Die Siedlung Loheland ist bedeutsamer Bestandteil der Lebensreform

In einer Reihe von Vorträgen wurden die geistesgeschichtlichen Hintergründe der Reformbewegungen vorgestellt, die sich von der Industrialisierung, dem Materialismus und der Verstädterung abwandten, um ihre Ideale einer alle Lebensbereiche umfassenden Reform  im Einklang mit der Natur und ihren Rhythmen zu verwirklichen.

Neben dem Bauhaus und seinen zum Teil nicht verwirklichten Planungen im Bereich des Bauens wurde auch die Gartenstadt Hellerau in der Nähe von Dresden, der Monte Verità unweit von Ascona im Tessin und Künstlerkolonien im östlichen Europa vorgestellt.

„Mit der Welterbebewerbung der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt ist die Frage der Lebensreformbewegung in diesen Tagen für uns alle von größtem Interesse und ich freue mich, dass wir uns dem Thema durch die Tagung aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln nähern konnten“, so Harzenetter.

Unumgänglich: Die Sanierung  des Eva-Hauses und des Sutor-Hauses

Die zu den ältesten Häusern der Siedlung gehörenden Gebäude, das Eva-Haus und das Sutor-Haus“ wurden bereits im Herbst des letzten Jahres von Hand vermessen, gezeichnet und dokumentiert. Dieses Verfahren, durch das sich neben den Qualitäten auch mögliche Mängel und Schäden am Bauwerk offenbaren, ist die Grundlage für die Sanierung der Gebäude, die nach ihrer Instandsetzung auch wieder bewohnt werden sollen. Die Namen der 1924/25 und 1933 erbauten Gebäude gehen auf die Bewohnerinnen der Häuser zurück, Eva Maria Deinhardt und Edith Sutor, zwei der bekanntesten, frühen expressionistischen Tänzerinnen. In beiden Gebäuden sind die Ausstattung aus der Entstehungszeit und teils auch das ursprüngliche Mobiliar erhalten. „Eine Erfahrung authentischer Überlieferung, die in dieser Dichte sehr selten ist“, freute sich Harzenetter.

Forschung und wissenschaftliche Einordnung stehen ganz am Anfang

„Als exemplarisches Frauenprojekt der Moderne in der Provinz ist die Siedlung Loheland zweifellos ein Kulturdenkmal ganz besonderer Güte. Meines Wissens gehört sie zu den wenigen Siedlungen der Jugendbewegung aus der Vorkriegszeit, die die wirtschaftlichen Herausforderungen zwischen 1919 und 1932 gemeistert haben und bis in die heutige Zeit weitgehend unverändert weiterbestehen“, so Harzenetter.
Ergebnis der Tagung war, dass die Forschung in Bezug auf die wissenschaftliche Einordnung des Ensembles in andere, wegweisende Projekte der Lebensreform noch ganz am Anfang steht.
Glücklicherweise verfügt das von Elisabeth Mollenhauer-Klüber hervorragend geführte Archiv über eine Vielfalt von Materialien, die weiterer Sichtung und Aufarbeitung bedürfen.
„Von Seiten des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen sind wir gerne bereit,  mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln dazu beizutragen, dass Lücken geschlossen werden und die Siedlung für die Zukunft gesichert wird“, sagte Markus Harzenetter abschließend.

Expertenworkshop „Von der Schiene unters Dach – Lohelands Waggonia“

In Anknüpfung an die Tagung findet am 8. Oktober 2015 der Expertenworkshop „Von der Schiene unters Dach – Lohelands Waggonia“ statt. Es geht um die vier ausrangierten Reichsbahnwaggons, die über Eck auf Sandsteinfundamente gesetzt und mit Satteldächern und einer Holzverschalung versehen wurden. Das Ensemble erhielt den Namen „Waggonia“ und beherbergte die Lederwerkstatt, die Schneiderei und vor allem die Lichtbildwerkstatt Loheland. Da auch der bauliche Zustand dieses einzigartigen Zeitdokumentes immer schlechter wird, ist eine Sanierung unumgänglich. Wer Interesse an diesem Workshop hat, kann sich gerne unter folgender Kontaktadresse im Landesamt für Denkmalpflege Hessen anmelden: M.Geyer@denkmalpflege-hessen.de

Teilnahme am Tag des offenen Denkmals 2015

Die Siedlung Loheland beteiligt sich außerdem auch am Tag des offenen Denkmals, der bundesweit am 13. September 2015 stattfindet. Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse der Walddorfschule informieren die Gäste vor den Gebäuden, die Schreinerei kann besichtigt werden, Kinder können auf Eseln reiten und mit anderen Tieren spielen, Verpflegung ist im Gartencafé Loheland möglich.

Organisation und Durchführung beider Tagungen: Elisabeth Mollenhauer-Klüber vom Archiv der Loheland-Stiftung und Dr. Alexandra Zingler vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen.

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