Fachtag Kindertagespflege gibt Impulse und ermutigt zu Perspektivwechseln
Kevin und Chantal! Welche Chancen hätten Kinder mit diesen Vornamen bei Ihnen? Mit einem plakativen Griff in die Vorurteilskiste kann man sich tatsächlich dem Thema Vielfalt nähern. Denn Vielfalt zu leben, das bedeutet die eigenen Vorurteile reflektierend, mit offenen Augen, neugierigen Fragen, zuhörenden Ohren und einem flexiblen Geist durch die Welt zu gehen.
Dass Vielfalt weit mehr als „schön bunt hier“ bedeutet und jede Menge Chancen birgt, das wurde beim Fachtag Kindertagespflege deutlich. Die Fachstellen Kindertagespflege des Landkreises und der Stadt Fulda hatten kürzlich Tagesmütter und -väter in die Eduard-Stieler-Schule eingeladen, um sich mit einem Thema der Zukunft auseinanderzusetzen. Wertvolles Wissen und Denkanstöße lieferte Sabine Sundermeyer, Referentin für Genderpädagogik und -politik. In ihrem Einführungsvortrag beleuchtete sie die verschiedenen Facetten der Vielfalt. Im Fokus des Vortrags stand der Begriff „Diversity“. Aus dem Englischen übersetzt bedeutet dieser Vielfalt, umfasst als Menschenrechtsansatz aber mehrere Dimensionen – die innere, die äußere und die organisationale.
„Jeder Mensch ist ein Potpourri an Vielfalt“, verdeutlichte die Referentin bezugnehmend auf die verschiedenen Merkmale der inneren Dimension, zu der neben Alter und Geschlecht auch die sexuelle Orientierung, physische Fähigkeiten, ethnische Zugehörigkeit sowie Religion und Weltanschauung gehören. Sabine Sundermeyer regte dazu an, die eigenen Vorstellungen von Normalität zu hinterfragen und einen Perspektivwechsel von „problemzentriert“ zu „ressourcenorientiert“ zu wagen. Die Fähigkeit, die Perspektive wechseln zu können, sei Bestandteil der Diversity-Kompetenz, die zudem darüber definiert werde, wie gut man Widersprüche aushalten und mit Ambivalenz umgehen könne. Auch Sensitivität, Analysefähigkeit, reflexives Handeln und das Denken in Zusammenhängen sind laut Sundermeyer Bestandteile dieser Kompetenz. „Zur Vielfalt gehört Fehlerfreudigkeit“, unterstrich die Referentin, „denn es ist ein holpriger Weg mit vielen Fettnäpfchen.“
Wie es in der Kindertagespflege gelingen kann, die unterschiedlichen Fähigkeiten, Ressourcen und Potenziale der Kinder in ihrer Vielfalt als gleichwertig anzuerkennen, zu berücksichtigen und zu fördern, wurde im Rahmen von Workshops erarbeitet. So ging Diplom-Sozialpädagogin Karin Günther mit den Workshop-Teilnehmerinnen der Frage nach, wie Kindertagespflegepersonen den vielen unterschiedlichen Lebenswelten begegnen und eine wertschätzende kinderorientierte Beziehung mit den Familien gestalten können. Sabine Sundermeyer vertiefte in ihrem Workshop die Vorteile der Vielfalt und die Möglichkeiten, die durch interkulturelle Begegnungen entstehen. Die Beschäftigung mit dem Berufsbild „Kindertagespflegeperson“ stand im Fokus des dritten Workshops, der von Erzieherin Edeltraud Amira gestaltet wurde. Wie Kinder die eigene Entwicklung erleben, vermittelten Diplom-Sozialpädagogin Sandy Ritschel-Bodenhöfer und Erzieherin Christine Lietz.
„Kindertagespflege ist ein Ort der Begegnung. Die Situation in der Kindertagespflege ermöglicht es, die Kinder eine Atmosphäre erleben zu lassen, in der Vielfalt als Bereicherung gesehen wird“, sind Christiane Becker-Ott und Falko Jana von der Fachstelle der Stadt Fulda überzeugt. Dass die Kindertagespflege inzwischen einen festen Platz im Gesamtsystem der Kinderbetreuung einnimmt und große Akzeptanz erfährt, wissen Elke Krack-Drinnenberg und Kerstin Hohmann von der Fachstelle des Landkreises. In den Fachtagen, die regelmäßig stattfinden und von den Fachstellen gemeinsam organisiert werden, sehen die Verantwortlichen die Möglichkeit, neue Impulse zu bekommen, und die Chance, das Profil der Kindertagespflege in Stadt und Landkreis noch weiter zu schärfen.
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Einer der angebotenen Workshops widmete sich der Frage, wie Kinder die eigene Entwicklung erleben. Die Teilnehmerinnen durften zum Einstieg in das Thema die Welt durch Kinderaugen sehen. Foto: D. Heydenreich