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Wo der Organist im Glashaus sitzt

Zwei Hände schweben über den Tasten, die Füße bedienen das Pedal – wer ein Orgelkonzert nicht nur akustisch, sondern zugleich optisch erleben möchte, sollte eine Soiree der Orgelbühne Fulda in der Aula der Winfriedschule besuchen. Nur getrennt durch gläserne Jalousien – die Generalschweller – sitzt der Zuhörer hier gemeinsam mit dem Organisten auf der Bühne.

„Das sind intime Konzerte mit sehr persönlichem Charakter“, sagt Peter Ziegler, Gründungsmitglied des Vereins „Fuldaer Orgelbühne“. Dieser wurde vor vier Jahren an der Winfriedschule ins Leben gerufen, um die Verbreitung des Orgelspiels und die musikalische Bildung im Bereich des Orgelspiels zu fördern. Zugleich wurde eine Konzertreihe gestartet, um der kurz zuvor restaurierten historischen Hahner-Klais-Krawinkel-Orgel einen ihr gebührenden Platz im kulturellen Leben einzuräumen.  „Vor der Sanierung sah die eingestaubte Orgel wie ein Kleiderschrank aus“, erinnert sich Vereinsvorsitzende Verena Seuring. Trotzdem erkannten Professor Hans-Jürgen Kaiser, Domorganist und Orgelsachverständiger des Bistums Fulda, und Experten des Landesdenkmalamts ihren Wert und setzten sich, mit Unterstützung des Rotary Clubs Fulda, für die Restaurierung des 1879 gebauten Kleinods ein. Das Instrument wurde auf den Zustand von 1912 zurückgeführt, sodass sein ursprünglicher spätromantischer Klangcharakter wieder zur Geltung kommt. Ihr Namen rührt von den beiden Baufirmen Hahner und Klais sowie der Firma Krawinkel her, die mit der Sanierung beauftragt worden war.

Nun darf die Winfriedschule sich damit schmücken, deutschlandweit die einzige Schule im Besitz einer historischen Orgel zu sein. Die „Königin der Instrumente“ wird bei Veranstaltungen des Gymnasiums gerne als Repräsentationsinstrument genutzt. Für Schüler bietet die Orgel die Möglichkeit, in Freistunden darauf zu üben, wenn nicht zugleich in der Turnhalle unterhalb der Bühne Sportunterricht stattfindet. „Wir hatten schon Schüler, die Klavier oder Keyboard spielten, und deren Interesse fürs Orgelspiel durch das Instrument geweckt wurde“, berichtet Kirchenmusiker Peter Ziegler, der bis zu seiner Pensionierung im Februar 2015 Musik, Deutsch und Spanisch an der Winfriedschule unterrichtete.

Neben ihrer Volksnähe gestattet sich die „alte Königin“ aber auch Allüren. Spieltisch und Kegelladen sind rein pneumatisch, wodurch sie einen Tick verzögert reagiere, erläutern Ziegler und Seuring. Dadurch seien schnelle Läufe schwierig zu spielen. „Außerdem ist das Pedal um eine Tontaste  nach rechts verschoben“, fügt Studienrätin Seuring hinzu. Obwohl beide Pädagogen langjährige Erfahrung als Kirchenorganisten haben, erfordert diese Orgel auch für sie spezielle Übung. Belohnt wurde ihr Einsatz mit persönlichen Sternstunden, die sie an diesem Instrument im Rahmen der OrgelPlus Konzerte erleben durften. Bei dieser Konzertreihe wird die Orgel häufig mit zusätzlichen, mitunter ungewöhnlichen Instrumenten oder auch anderen Künsten kombiniert.  Ziegler hat sich im März 2014 mit einer Veranstaltung „Orgel plus Malerei“, wie er sagt, „einen Traum erfüllt“: Zu auf eine Leinwand projizierten Bildern des Isenheimer Altars und Glasmalereien Marc Chagalls interpretierte der Organist  Choralvorspiele Bachs und die Symphonie-Passion Marcel Duprés. “Gerade für die Werke Dupres und anderer französischer Impressionisten ist die Klais-Hahner-Krawinkel-Orgel wie geschaffen“, betont Ziegler. Verena Seuring durfte als ihr bisheriges Glanzlicht ein eigens für den Anlass komponiertes Werk von Marliese Zeiner, ihrer ehemaligen Professorin an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover, uraufführen. Es handelte sich um die musikalische Deutung einer Erzählung der bekannten Autorin Gudrun Pausewang aus Schlitz. Sie war ebenso wie die Komponistin bei der Premiere vor einem Jahr anwesend und trug zudem Kurzgeschichten zum Thema Krieg und Nationalsozialismus vor.

Ideen – nicht zuletzt für nichtsakrale Orgelveranstaltungen – gehen dem Verein nicht aus. „Ich würde zum Beispiel gerne ein Konzert mit Kino-Orgelmusik initiieren“, verrät die Vorsitzende. Allerdings musste der Vorstand feststellen, dass zwar zwei Hände ausreichen, um wunderschöne  Orgelmusik zu spielen, es aber für drei Handvoll Mitglieder schwierig ist, den Verein finanziell zu tragen. Während die Wartung des kulturhistorischen Denkmals vom Landkreis Fulda als Schulträger finanziert wird, müssen alle weiteren Kosten über die Beiträge der 15 Mitglieder und Spenden gedeckt werden. „Versicherungsprämien und GEMA-Gebühren, Programme und Flyer, Honorare und Aufwandsentschädigungen summieren sich auf rund 2000 Euro jährlich“, listet Seuring auf.

Deshalb möchte der fünfköpfige Vorstand – der komplett aus aktiven Orgelspielern besteht  – gerne den Verein auf eine breitere Basis stellen und wünscht sich dafür weitere Mitglieder oder Förderer. Wer neugierig geworden ist, kann sich selbst einen Eindruck verschaffen, wenn der Rhöner Musikstudent Alexander Farnung am Donnerstag, 1. Oktober, um 19 Uhr die erste Orgelsoiree nach den Sommerferien gestaltet. Das nächste OrgelPlus Konzert findet am 5. November statt und ist wieder einmal für eine Überraschung gut. Zum Gedenken an die Reichspogromnacht von 1938 spielt Verena Seuring synagogale Orgelmusik. und Linde Weiland, die frühere Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Fulda, trägt Gesang und Texte bei.

Bild: Die historische Orgel an der Fuldaer Winfriedschule ermöglicht sowohl akustische als auch optische Konzerterlebnisse. Das Foto entstand im Dezember 2014 während einr Soiree mit Studierenden des Kirchenmusikinstituts Fulda.

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