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Handys, Rosen und Manganknollen

Wie Konsumenten bei uns zu weltweitem Naturschutz – oder unwissentlich auch zur Zerstörung von Lebensräumen – beitragen können, zeigte Dr. Hans-Peter Ziemek zum Auftakt  der Vortrags- und Diskussionsreihe „Forum im Foyer“ an der Ulstertalschule Hilders (USH) auf.

Der Jugendbuchautor und Professor an der Justus-Liebig-Universität Gießen hatte ursprünglich über die  Rückkehr der Artenvielfalt – am Beispiel von Luchs, Wolf oder Kolkrabe – referieren wollen, doch sich dann eines  Themas besonnen, das hervorragend zum  Titel „Umweltschule“ der USH  passt. Seit  drei Jahren ist das Mittelstufengymnasium als Umweltschule zertifiziert und sieht sich dadurch besonders verpflichtet, „die Schülerinnen und Schüler bei der Entwicklung von Kompetenzen zu einer nachhaltigen Lebensgestaltung im 21. Jahrhundert zu unterstützen“, wie es auf der Homepage heißt. Deshalb hat die Partnerschule des Biosphärenreservats Rhön gemeinsam mit diesem die Vortrags- und Diskussionsreihe zur Bildung für nachhaltige Entwicklung initiiert.

Ziemek gelang es, das Schlagwort „Nachhaltigkeit“ für die Zuhörer zu einem konkreten Begriff zu machen. Anhand von Kartographien zeigte er, dass vor allem die tropischen Gebiete von einem rasanten Verlust der Artenvielfalt betroffen sind. Als Beispiel ging der Professor auf den Kongo ein, wo der Bestand der Berggorillas durch den Coltanabbau auf knapp 600 Tiere geschrumpft ist. Coltan wird für technische Geräte wie Handys, Digitalkameras oder Spielkonsolen benötigt. Als Folge der Zucht billiger Schnittrosen für unsere Discounter ist laut Ziemek am Naivasha See in Kenia – dem Zentrum für Schnittblumenfarmen  – der Fischfang zum Erliegen gekommen. Und die Schäden durch den Tsunami von 2006 wären nach Ansicht des Wissenschaftlers weniger schlimm ausgefallen, wenn nicht zuvor die Mangrovenwälder für die Garnelenzucht – unter anderem für den Export – abgeholzt und zu Toilettenpapier verarbeitet worden wären.

Unter der Zerstörung der Lebensräume leiden also nicht nur Flora und Fauna, sondern auch die Menschen, die sich dann als Flüchtlinge eine bessere Zukunft in Europa erhoffen. Ziemeks Vortrag mündete in der Überlegung: „Wie können wir es schaffen, dass immer mehr Menschen fair miteinander umgehen?“ Ein Ziel, das auf der Homepage der USH bereits formuliert ist: „Wichtige Aspekte einer zukünftigen Lebensweise sind soziale und globale Gerechtigkeit und faire Entwicklungschancen für alle Menschen hier und auf anderen Kontinenten.“ Dazu beitragen könne jeder Einzelne durch sein  Konsumverhalten, meinte Ziemek und belegte dies anhand von erfolgreichen Kampagnen gegen Fastfood-Ketten, die nachweislich zu  einem besseren Schutz der südamerikanischen Regenwälder geführt hätten. Als „perfide“ bezeichnete er die globale Palmöl-Problematik, da es unmöglich sei, Produkte mit Palmöl zu boykottieren. „Nicht die einzelne Ölpalme ist das Problem, aber die riesigen Plantagen und Monokulturen“, betonte Ziemek. „Jeder sorgt mit jedem Gang zum Supermarkt für noch mehr Plantagen“ – und damit für das Aussterben des Orang-Utans. Er empfahl, auf Produkte mit zertifiziertem Palmöl auszuweichen. Diese müssen nicht zwangsweise teurer sein, wie der Vergleich verschiedener Schokonuss-Brotaufstriche zeigt.

Während ein 73-jähriger Zuhörer anregte, unseren Wohlstand auf ein Niveau wie vor 100 Jahren zu beschränken, fiel seitens Ziemek die Zahl von einem erforderlichen Wohlstandsverzicht um zehn Prozent.  mmer wieder stellte der Referent kritische Fragen als Diskussionsgrundlage, doch  er präsentierte auch Anregungen für Lösungswege: etwa die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe anstelle des Hoffierens von großen Konzernen. „Das Biosphärenreservat befindet sich da auf einem guten Weg“, lobte der Gießener. Er erhielt viel Beifall für seinen – trotz der ernsten Thematik – unterhaltsamen Beitrag.  Schulleiterin Annette Albrecht, Stellvertreter Rudolf Zibuschka und Biologielehrer Dr. Rainer Heimerich bedankten sich mit Rhöner Spezialitäten bei dem Referenten, der im Gegenzug für die Schulbücherei ein Exemplar seines Romans „Schatten des Dschungels“ mitgebracht hatte.

Info
Heimische Fledermausarten sind am Donnerstag, 19. November, Thema des Vortrags, den Stefan Zaenker um 19.30 Uhr im Foyer der USH hält. Auch von ihm gibt es nicht nur interessante Informationen, sondern zugleich konkrete Tipps zum Schutz dieser faszinierenden Säugetiere. Neben Lehrkräften, Schülern und Eltern sind alle Interessierten eingeladen zum Zuhören und Mitdiskutieren – beispielsweise wenn es um die Gefahren durch Windkraft geht.

BU
Julius, Markus und Luca „gehören zu den wenigen Menschen in der Rhön, die schon einmal eine Manganknolle in den Händen halten durften“, scherzte Professor Ziemek, während sein Anschauungsobjekt durch das Publikum wanderte. Doch eigentlich ging es ihm um die ernste Frage, ob der Abbau des seltenen Rohstoffs die Zerstörung der pazifischen Tiefsee rechtfertigen würde.

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