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„Suchtpatienten haben Chance zur Integration verdient“ – Ärztlicher Leiter Michael von Kürten im Interview

Die Suchthilfe Fulda feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Im Interview berichtet Michael von Kürten, Ärztlicher Leiter der Suchthilfe, von den Anfängen und Meilensteinen, aber auch von den Hoffnungen und Wünschen, die der Mediziner und sein Team haben.

Wie waren die Anfänge der Suchthilfe?
von Kürten: Wir haben am 1. Dezember 2004 mit der Suchthilfe begonnen. Es war ein eher chaotischer und unfreiwilliger Start, weil die damals letzte Substitutionseinrichtung in der Sturmiusstraße in Fulda ihre Zulassung verloren hatte. Nach kurzer Zeit des Überlegens habe ich mit Hilfe einer Kollegin den Scherbenhaufen übernommen. Im Sommer 2005 konnten wir neue Räume in der Rhönstraße beziehen, und im Januar 2006 gab es dann eine offizielle Eröffnungsfeier. Zu Beginn haben wir zwischen 60 und 70 Patienten versorgt. Heute sind es zwischen 120 und 130 Patienten.

Was waren für Sie Meilensteine?
von Kürten: Ein großer Meilenstein war die Gründung des Vereins Suchthilfe e.V. in 2005. Seit 2010 ist die Suchthilfe eine gemeinnützige GmbH. Diese strukturelle Weiterentwicklung hat zu einem deutlichen Schub der Einrichtung geführt. Wir bekommen zwar nicht unbedingt mehr Spenden, aber doch das eine oder andere Bußgeld, das die Gericht zu unseren Gunsten verhängen. Und das trägt dazu bei, dass wir Projekte – wie beispielsweise das Musikprojekt oder das Frühstücksprojekt – anbieten können. Ein weiterer Meilenstein war auch der Umzug in die Heinrichstraße 60 im Sommer dieses Jahres.

Gibt es etwas, worauf Sie besonders stolz sind?
von Kürten: Ja, auf unsere neuen Räume bin ich besonders stolz.

Welche Hoffnungen haben sich nicht erfüllt?
von Kürten: Was mich persönlich betrifft, habe ich keine Hoffnungen, die sich nicht erfüllt hätten – abgesehen davon, dass die Finanzierung noch nicht auf sicheren Füßen steht. Der eine oder andere Mitarbeiter hat vielleicht die Hoffnung, dass wir den Patienten noch deutlicher den Weg in das „cleane“ Leben weisen können. Die Quote der Patienten, die es dauerhaft schafft, liegt bei etwa einem bis zwei Prozent pro Jahr.

Wie öffentlich ist das Thema Sucht aus Ihrer Perspektive?
von Kürten: Zahlenmäßig sind Alkoholkranke weit überlegen, so dass Sucht in diesem Bereich deutlich mehr wahrgenommen wird als Opiatsucht. Das Interesse der Patienten ist es aber, dass ihre Sucht nicht in die Öffentlichkeit gelangt. Denn viele Patienten sind integriert und möchten die Sucht überwinden, ohne dass sie bekannt wird.

Mit welchen Vorurteilen können Sie aufräumen?
von Kürten: Ein Vorurteil ist die hohe Kriminalität. Die ist bei Suchtkranken sicherlich höher als in der Allgemeinbevölkerung, aber was unsere Einrichtung betrifft, haben wir in den letzten zehn Jahren zunehmend positive Erfahrungen sammeln können. Die Patienten, die zu uns kommen, sind sicherlich schon eine Positiv-Auslese, weil sie ein Interesse daran haben, in ihrem Leben etwas zu ändern. Man darf nicht die Illusion haben, dass nicht getrickst wird, aber Suchtpatienten sind besondere Menschen, die es verdient haben, die Chance zur Integration zu bekommen.

Was wünschen Sie sich zum Geburtstag der Suchthilfe?
von Kürten: Ich habe den Eindruck, dass unsere Einrichtung zunehmend bekannter wird und auch anerkannt ist. Ich wünsche mir, dass es sich in diese Richtung weiterentwickelt. Wenn dadurch gute Strukturen und  günstige Bedingungen für die Patienten entstehen, ist es das Beste, was passieren kann.

Was würden Sie gerne zum zwanzigsten Geburtstag über die Suchthilfe lesen?
von Kürten: Dass die Suchthilfe als Institution selbstverständlich geworden ist – so wie die Schutzambulanz oder der Ärztliche Bereitschaftsdienst. Und es wäre schön, wenn bis zum 20. Geburtstag weitere Einrichtungen hinzukommen würden, die besondere Patientengruppen versorgen.

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Gesundheit & Medizin