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Gemeinschaft Altenschlirf: Individuelle Förderung und Begleitung für Menschen mit Behinderung

649-Altenschlirf1Hinterm Haus wird Holz gehackt, im Lädchen ums Eck erledigt eine Frau ihren Einkauf und im Kuhstall packen Männer beim Ausmisten an: Eine normale Alltagsszene in einem Dorf im Vogelsbergkreis. Normal und in diesem Fall doch besonders –zumindest für viele Außenstehende.

Diese Szenen sind Momentaufnahmen in den Orten Altenschlirf, Stockhausen und Schlechtenwegen. Hier leben und arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung miteinander und das selbstverständlicher als andernorts. Sie sind Teil der Gemeinschaft Altenschlirf und zugleich Teil der Dorfgemeinschaft. „An den drei Standorten bilden derzeit 360 Menschen die Gemeinschaft – 145 davon haben einen Hilfebedarf“, erläutert Ulrike Härtel. Sie ist zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Grundlage der Gemeinschaft ist das anthroposophische Menschenbild. Dass hier der Ausdruck „Mensch mit Behinderung“ nicht im Sprachgebrauch vorkommt, ist das eine. Das andere ist die Gestaltung des Alltags, die dieses Menschenbild konkret werden lässt: „Jeder soll hier die Unterstützung, Förderung und Begleitung erhalten, die er braucht, um sich individuell weiterentwickeln zu können“, gibt Härtel einen Einblick. Die Erwachsenen sollen trotz Begleitung selbstbestimmt leben können. Dies wird möglich durch das sogenannte Lebensgemeinschaftsmodell.

„In Altenschlirf, Stockhausen und Schlechtenwegen gibt es 16 Hausgemeinschaften“, erläutert Ulrike Härtel und fügt an: „Das Besondere ist, dass sogenannte Hausverantwortliche, die sozial- oder heilerziehungspflegerisch qualifiziert sind, mit den Menschen mit Hilfebedarf ständig zusammenleben.“ Gemeinsam bestreiten sie den Alltag nach den individuellen Bedürfnissen, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr – das Leben der Hausverantwortlichen ist mit dem Leben der Menschen mit Handikap eng verwoben, wie in einer Art Großfamilie.

Ein weiterer Baustein des selbstbestimmten Daseins als Erwachsener ist eine sinnvolle Arbeit in Werkstätten wie Käserei, Kerzenwerkstatt, Bäckerei, Schreinerei oder einer Demeter-zertifizierten Landwirtschaft. Jeder soll sich dort einbringen können, wo seine individuellen Stärken und Interessen liegen. Ungefähr alle zwei Jahre gibt es ein sogenanntes Standortgespräch, um gemeinsam anzuschauen, welche Entwicklungen der Mensch genommen hat, welche Ziele er hat und welche Unterstützung er dafür benötigt.

„Mit der Arbeit erbringt jeder zugleich auch einen Beitrag zum Gemeinschaftsleben“, erzählt Ulrike Härtel. Denn die Produkte wie der selbstgemachte Käse oder die selbstangebauten Rüben kommen auch beim eigenen Mittagessen auf den Tisch. Zugleich werden sie im Hofladen  an Dorfbewohner verkauft. Produkte aus der Schreinerei werden über Zweitanbieter vertrieben oder als Auftragsarbeiten angefertigt. Darüber hinaus betreibt die Gemeinschaft Altenschlirf in der Ortsmitte von Stockhausen das „tegut-Lädchen für alles“. Die Gemeinschaft ist eben mittendrin in der Dorfgemeinschaft. Dazu trägt auch ein vielfältiges kulturelles Angebot bei. Künstler werden regelmäßig eingeladen, oder wie beim jüngsten Theaterprojekt „Faust“, das in Altenschlirf und Fulda im 33. Jubiläumsjahr der Gemeinschaft aufgeführt wurde, stehen die eigenen Künstler auf der Bühne. Auch hier agieren dann Menschen mit und ohne Handikap Seite an Seite – ganz normal also.

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