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Internationaler Orgelsommer im Fuldaer Dom mit Torsten Laux

Dommusik Fulda. Für sein Orgelkonzert am 9. August um 16.30 Uhr hat Torsten Laux, Düsseldorf, ein ganz besonderes Programm zusammengestellt. Vergleichend kann man hier zum vorausgegangen Konzert die große f-Moll-Sonate von Mendelssohn hören, daneben zwei weitere Sonaten der insgesamt sechs Sonaten, die Nr. 3 A-Dur und Nr. 4 B-Dur. Letztere ist für manche die geschlossenste Form seiner Orgelsonaten. Dazwischen wird Torsten Laux einerseits über ein gegebenes Thema und über Psalmtexte improvisieren. Man darf gespannt sein, wie diese Abfolge kontrastiert oder sich zu einem Gesamtbild fügt. Der Kostenbeitrag beträgt 7 € (ermäßigt 4 €).

Programm:

Sonate I f-Moll op. 65

Nicht die mächtigen Einleitungsakkorde, sondern erst die in T. 11 im Sopran einsetzende melodische Linie ist – sonatenmäßig gesprochen – das >>Hauptthema<< des ersten Satzes (Allegro moderato e serioso), das zunächst (ähnlich wie in den Präludien c- und d-Moll des op.37) fugiert behandelt wird. Wie ein klassisches Seitenthema tritt dann der Choral Was mein Gott will, das g’scheh’ allzeit dazu ganz lehrbuchkonform in der Tonikaparallele As-Dur. So verblüffend, ja beglückend zunächst das Bündnis von Sonatensatz und Kirchenlied anmutet, so groß sind die Komplikationen, die der Komponist sich damit aufbürdet. (In den zahlreichen Choralsonaten der Mendelssohn–Nachfolger wurde diese Seite des Problems  nie gesehen, sondern immer nur naiv auf den Effekt des frommen Zitierens gesetzt.) Zum einen ist ein Choral grundsätzlich anders gebaut als ein zweites Sonatenthema, zum anderen riskiert der Komponist Abweichungen vom Modulationsplan des Sonatenhauptsatzes, die ihn zu geradezu listigen Ausweichmanövern zwingen, von denen aber der weitere Verlauf des ersten Satzes wiederum erstaunlichen Nutzen zieht. Der Satz ist bei erstem Hinhören gleichsam eine paradoxe Kreuzung lutherischer und beethovenscher „Erbmasse“, durch die Lösung dieser Unlösbarkeit aber zugleich etwas völlig Neues jenseits von Sonate und Choral.

Dialogisierende Manualwechsel, die wohl eher ein Changieren der Register als deren Kontrastierung bezwecken. Mit dem Tempo Achtel = 100 atmet der Satz eher schwebende Eleganz als fromme Entrücktheit. Die Überlagerung von lauten und leisen Klängen, schon im ersten Satz angewendet, wird im dritten (Andante recitativo) geradezu zum Kompositionsprinzip. Dass außerdem der pianissimo–Bereich in sich noch differenziert werden soll, hat erst der Nachdruck der Erstausgabe von Boosey & Hawkes wieder verdeutlicht.

Attacca soll das Finale (Allegro assai vivace) angeschlossen werden. Analysierende Betrachter, die gewohnheitsgemäß nach Themen und Motiven suchen, geraten hier in Verzweiflung. Der Satz hat die schöne Einseitigkeit romantischer Etüden präsentiert. Übrigens warnt die originale Metronomangabe (Halbe = 88) vor überzogenem Tempo.

Sonate III A-Dur op. 65

Der einleitende A-Dur Teil des ersten Satzes (Con moto maestoso) geht auf eine verschollene Frühfassung vom August 1829 zurück, die Mendelssohn anlässlich der Hochzeit seiner Schwester Fanny schrieb. Der vollgriffiger Satz spielt sich wie ein Klavierauszug – ein frühes Beispiel orchestral inspirierter romantischer Orgelmusik.

Die Kombination einer Hochzeit mit einer Doppelfuge nebst Choral >>Aus tiefer Not schrei ich zu dir<< stellt vor unüberwindliche hermeneutische Probleme. Absolut betrachtet, passt beides erstaunlich gut zusammen und fügt sich zu überzeugender ABA’- Gliederung. Das erste Fugenthema bezieht sich auf das Tenorrezitativ Hüter, ist die Nacht bald hin aus der 2. Symphonie Lobgesang. Zur Fuge tritt im Pedal der phrygische Cantus frimus Aus tiefer Not schrie ich zu dir<, der indes noch nicht vollständig erklungen ist, wenn in T. 58 ein zweites, aus Sechzehntelketten bestehendes Fugthema einsetzt. Während der Cantus frimus Zeile für Zeile fortschreitet, wird das Tempo von Viertel = 72 auf 100 gesteigert. Nicht nur dass in T. 80ff. die kontrapunktisch ergiebige Kombination beider Fugenthemen mitsamt Canus firmus erreicht wird, auch die romantische Idee der Steigerungsfuge ist hier vollendete Wirklichkeit. Die Wiederaufnahme des A-Dur Teils ist nicht etwa ein simples Da capo, sondern nimmt Bezug auf das erste Fugthema.

Man hat folgenden Satz (Andante tranquillo) oft als enttäuschenden Appendix disqualifiziert. Unbeantwortet blieb dabei die Frage, was dem gewaltigen ersten Satz sonst hätte folgen können. Spielt man das Andate tranquillo in aller Schlichtheit (Tendenz: Quasi Minuetto), so befriedigt der Satz durchaus als lieblicher Ausklang einer Sonate.

Sonate IV B-Dur

Nicht nur wegen ihrer seltener gespielten Tonart sollte diese Sonate stärker im Repertoire berücksichtigt werden. Der mit Viertel = 100 recht zügige erste Satz (Allegro con brio), formal am ehesten als Sonatenrondo zu bezeichnen, atmet sowohl in seinen toccatenhaften Sechzehntelketten als auch im marschartigen zweiten Thema geradezu Widor’sche Grandezza.
Statt sich beim zweiten Satz an der Bezeichnung „Andante religioso“ zu stoßen, sollte bedacht werden, worin denn in dieser Musik für Mendelssohn und seine Hörer das (allerdings dogmatisch kaum fixierbare) Moment von Religiosität bestanden haben mochte: Wenn es die chorisch-hymnische Diktion war, dann hat Mendelssohn auch sonst viel „religiöse“ Musik komponiert.
Mehr in Richtung Charakterstück (vom „Spinnerliedchen“-Typus) tendiert der dritte Satz (Allegretto), der größtenteils als Orgeltrio geschrieben ist. Im pianissimo behände (aber nicht hastig) dahineilend, wurde er noch für Rheinbergers Trios op. 189 vorbildlich. Dass die Dreistimmigkeit gelegentlich zum vier-, ja fünfstimmigen Satz aufblüht, wirkt im pp besonders reizvoll.

„Allegro maestoso …“ steht über der Einleitung zum Finale; wer glaubt, schneller sein zu dürfen, als Mendelssohn selbst vorschreibt (Viertel = 100), kommt später in Bedrängnis, weil dort das „…e vivace“ eingelöst wird: Die sehr frei gestaltete Fuge hat es in sich! Ihre Erstfassung hatte das Thema noch nicht treppenför-mig, sondern in Skalenausschnitten angelegt – was noch um einiges schwerer zu spielen ist. Diese Sonate zählt zu den ausbalanciertesten des ganzen Opus.

Improvisation zu fünf Psalmen

Im Dom liegen in Nähe der Eingänge Gesangbücher aus. Wer Interesse hat, die Psalmtexte mitzulesen, findet diese teilweise im GL: Psalm 23 GL 718,2; Psalm 100 GL 741,2; Psalm 103, 742,3; Psalm 130 vgl. GL 163.

Vita:

Torsten Laux (geboren 1965 in Worms/Rhein) studierte ab 1985 an der Musikhochschule in Frankfurt/Main Kirchenmusik bis zur A-Prüfung 1989 (bei Hans-Joachim Bartsch, Reinhardt Menger und Gerd Wachowski), (Künstlerische Ausbildung bei Edgar  Krapp) bis zum Konzertexamen 1992. 1994 bis 1996 folgten weitere Studien bei Daniel Roth (Paris) und Bernhard Haas (Stuttgart) an der Musikhochschule Saarbrücken.

Torsten Laux ist Preisträger renommierter internationaler Orgelwettbewerbe (Johann-Pachelbel-Preis der, Georg-Böhm-Orgelwettbewerb, Gottfried-Silbermann-Orgelwettbewerb, Internationaler Wettbewerb „Orgelland Thüringen“, August-Gottfried-Ritter-Wettbewerb, Bachpreis der Landeshauptstadt Wiesbaden, Internationaler Orgelwettbewerb in Odense/Dänemark, Jan-Pieterszoon-Sweelinck-Wettbewerb in Danzig/Gdansk u. a.). In Biarritz (Frankreich) gewann er alle drei Preise im Fach Improvisation. Von 1995 bis 1999 war Torsten Laux Kantor und Organist der Ev. Dankeskirche Bad Nauheim, seit 1993 ist er außerdem Dozent für Orgelimprovisation (seit 2000 auch Orgelliteraturspiel) an der Hochschule für Kirchenmusik der Ev.-Luth. Kirche in Bayern (Bayreuth). Seit Sommersemester 1999 ist er Professor für Orgel (Künstlerisches Orgelspiel und Improvisation) an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf. Torsten Laux hat zahlreiche Aufnahmen (César Franck: Orgelwerke, Franz Liszt: Die drei großen Orgelwerke, „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, Improvisationen u.a.), für Rundfunkanstalten und für das Fernsehen eingespielt. Konzertreisen führten ihn nach Frankreich, Belgien, England, Dänemark, Schweden, Finnland, Italien, Polen, Ungarn, Rumänien, USA und China. Im In- und Ausland gibt er Orgelkurse für Improvisation und Interpretation und ist außerdem als Juror bei internationalen Orgelwettbewerben gefragt. Gemeinsam mit H. Ludwig und Petersen gründete Torsten Laux 2006 das Internationale Düsseldorfer Orgelfestival und ist seitdem künstlerischer Leiter des Festivals.

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