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Marx gegen systematische Verschandelung der Landschaft

Vogelsbergkreis. Landrat Rudolf Marx will keine weiteren Windkraftanlagen im Vogelsbergkreis. „Es reicht“, bewertet er das Vorhaben der Gemeinde Freiensteinau im Süden des Kreises, weitere 30 Anlagen – zum Teil bis zu 180 Meter hoch – zu errichten. Es gehe ihm nicht um „Feindschaft gegenüber der Nutzung der Windkraft“. Aber „was zuviel ist, ist zuviel“. Marx, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Hessischer Naturparke ist, sieht große Gefahren für die „endlich gut in Gang gekommene touristische Entwicklung“. Die natürliche und unvergleichlich schöne Silhouette des Vogelsberger werde „systematisch und radikal verschandelt“.

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Marx befürchtet im Fall Freiensteinau auch einen Präzedenzfall, da „andere Gemeinden aufgrund finanzieller Überlegungen dem Beispiel Freiensteinau folgen könnten“. Dadurch würde es zu einer unkontrollierten Ausweisung von Windkraftstandorten kommen, wodurch das Landschaftsbild des Vogelsberg nicht nur teilweise, sondern dann völlig verändert würde.

Neben dem Landschaftsschutz – „unsere geschmeidige Horizontlinie wird förmlich zerhackt“ – bewegen den Landrat auch Naturschutz- und Artenschutzaspekte sowie die Störung der Bevölkerung durch Schattenwurf und Geräusche und die Senkung des Wohnwerts in den angrenzenden Dörfern durch die mittlerweile „wirklich riesigen Anlagen“. Eine Senkung des Wohnwerts könne man angesichts der schon jetzt bedrohlichen demografischen Entwicklung „nun wirklich nicht gebrauchen“.

180 Meter hoch, wegen der Gefährdung des Flugverkehrs ausgestattet mit großen Blinklichtern, ließen diese profitablen Industrieanlagen die Natur immer mehr in den Hintergrund rücken. Und Tausende von Kubikmetern Beton für die Turmfundamente seien auch nicht das, „was ich mir unter klassischem Naturschutz vorstelle“, sagt Rudolf Marx.

„Mittlerweile geht es wirklich an die Substanz, die Dominanz der Generatoren gefährden die Ökosysteme, und selbst die Wälder werden nun nicht mehr verschont“. Jede weitere Anlage ist aus Sicht des Landrats „ein Skandal“. Dabei kritisiert Marx sowohl das Land – „Will man uns bewusst benachteiligen?“ – als auch jene Kommunen, die „glauben mit der Windkraft das Heil aus der Finanzkrise gefunden zu haben.“ Dies sei unverantwortlich und inakzeptabel, weil es zu Lasten regionaler Interessen gehe.

Die Landesplanung und die „Partikularinteressen einzelner Kommunen“ wirkten wie eine Zangenbewegung gegen die Wahrnehmung berechtigter und offenkundiger regionaler Interessen. Im Regierungsbezirk Gießen – also in insgesamt fünf Landkreisen – seien zurzeit 238 Windkraftanlagen in Betrieb. Von diesen 238 stünden 175 im Vogelsbergkreis – also 74 Prozent.

Auch bezogen auf ganz Hessen werde der Vogelsberg weit überproportional belastet. „Das ist unfair und eine klare Benachteiligung des ländlichen Raums“, sagt Rudolf Marx und kritisiert, dass sich andere Landkreise „auf Kosten des Vogelsbergs die Sicht frei halten“. Marx hält das für „unfair“ und nennt als Beispiele den Taunus und die Lahnberge. Er werde es nicht hinnehmen, falls klar werde, dass das Land den Vogelsberg als „Rückzugsfläche“ für alle weiteren Windkraftanlagen auserkoren habe. „Diese Rolle werden wir nicht annehmen“, unterstreicht der Christdemokrat.

Wer einen Blick auf die Karte des Vogelsbergkreises mit seinen jetzt schon 30 Standorten mit insgesamt 175 Anlagen werfe, der könne nur den Eindruck gewinnen: „Wir werden zugepflastert.“ Marx zeigt sich tief enttäuscht und verärgert darüber, dass sich „viele Politiker auf allen politischen Ebenen um 180 Grad gedreht haben“, weil Geld erfolgreich als Lockmittel eingesetzt werde. Mit dem durch den Steuerzahler subventionierten Windstrom werde viel Geld verdient, und die Lobbyarbeit der Industrie sei „massiv“.

Als Chef des Naturparks und der regionalen Tourismusgesellschaft freue sich Marx über den „deutlichen Wandel zu mehr regionalem Denken“. Man habe begonnen zu erkennen, dass es langfristig ökonomisch unverzichtbar ist, über den eigenen Tellerrand hinaus zu denken, „damit wir alle wirtschaftlich erfolgreich sein können“. Was aber nun mit der massiven Windenergiepolitik der Kommunen geschehe, sei gleichsam ein „Roll-Back“. Auf einmal gelte das berechtigte regionale Interesse nichts mehr, sondern nur noch das egoistische Partikularinteresse einzelner Kommunen – und die gesamte Region und ihre Landschaft müssten darunter leiden.

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