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Orgelsommer im Fuldaer Dom mit Martin Sander am 25. Juli

Fulda. „Fulda im Zeichen des Barock“ zeigt eindrücklich, welch weite Kreise barocke Themen ziehen. Martin Sander hat für sein Konzert am Sonntag, 25. Juli, um 16.30 Uhr, ein brillantes Programm zusammengestellt, das ganz auf den bedeutendsten barocken Komponisten, Johann Sebastian Bach, abzielt. Sein Name – BACH als Töne gefasst – steht im Mittelpunkt der Kompositionen von Schumann und Reger. Der Internationale Orgelsommer findet im Rahmen des Kultursommers Main-Kinzig-Fulda statt. Der Kostenbeitrag beträgt 7 € (ermäßigt 4 €).

Martin Sander ist als Professor für Orgel an der Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg sowie an der Hochschule für Musik in Basel tätig. Zu seinen eigenen Lehrern in Studium und Meisterkursen zählten
Ulrich Bremsteller, Harald Vogel, Luigi Ferdinando Tagliavini, Flor Peeters, Daniel Roth und Edgar  Krapp.

Der Gewinn mehrerer großer Orgelwettbewerbe – u. a. Mendelssohn-Wettbewerb Berlin, ARD-Wettbewerb München, Johann-Sebastian- Bach-Wettbewerb Leipzig und Wettbewerb des Prager Frühlings – bereitete seine internationale Konzertkarriere vor. Er konzertiert regelmäßig in vielen bedeutenden Kirchen und Sälen und trat als Solist mit etlichen renommierten Orchestern auf. Neben Produktionen und Konzertaufnahmen für verschiedene deutsche und ausländische Rundfunk- und Fernseh-Anstalten spielte er etliche CDs ein. Martin Sander leitet zahlreiche Meisterkurse im In- und Ausland und ist als Juror internationaler Wettbewerbe tätig.

25. Juli – Martin Sander – Heidelberg

  • Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Praeludium und Fuge c-Moll BWV 546
Dies sind die heil’gen zehn Gebot’ BWV 678
Vater unser im Himmelreich BWV 682

  • Franz Liszt Weinen (1811- 1886)

Klagen, Sorgen, Zagen, Angst und Noth sind des Christen Thränenbrod!
(Variationen über den Basso Continuo der gleichnamigen Kantate und des Cruzifixus aus der h-Moll-Messe von J.S. Bach)

  • Robert Schumann (1810 – 1856)

Aus den 6 Fugen über BACH op. 60
III Mit sanften Stimmen
V Lebhaft

  • Max Reger (1873 – 1916)

Phantasie und Fuge über B-A-C-H op. 46

Johann Sebastian Bach – Präludium und Fuge c-Moll BWV 546

Neben stilistischen Erwägungen ist es vor allem der proportional durchkonstruierte und unterschiedliche formale Aspekte vereinende Grundriss, der das Präludium als eine Leipziger Komposition ausweist. Auffällig ist zum einen der regelmäßige Aufbau in Perioden mit je 24 Takten Umfang, zum anderen das darin eingelagerte Wechselspiel zwischen Ritornell und Episode (meist mit pausierendem Pedal).

Ausdrucksstark präsentiert sich das Tutti mit einer Fülle von Motiven: griffige, quasi doppelchörige Akkordfolge (Alternieren von rechter und linker Hand) mit Seufzer-Vorhalten, obligat fünfstimmige Binnenkadenz, Skalen in Triolenbewegungen, chromatische Mittelstimmen und eine sich aufschwingende Figur auf dem neapolitanischen Sextakkord. Abgesehen von der vollständigen Wiederholung am Ende des Satzes lässt Bach das Ritornell im weiteren Verlauf in sich sukzessiv ergänzenden Ausschnitten erscheinen: die Textur wird dabei teilweise durch Stimmtausch variiert.

Innerhalb der fugiert angelegten Episode bleibt das Verhältnis zwischen dem thematisches Gewicht beanspruchenden schreitenden Quintzug und dem motivisch wie rhythmisch wesentlich profilierteren Kontrasubjekt unklar (die Achtelpunktierungen sind triolisch aufzulösen). Die Verdichtung durch Terzkoppelung sowie die angedeutete Engführung machen es wahrscheinlich, dass Bach das Präludium als Einzelsatz konzipierte und die nachfolgende, sowohl von ihrer thematischen Erfindung als auch satztechnischen Durchführung her merklich abfallende Fuge erst später von fremder Hand hinzugefügt wurde.

Franz Liszt Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen

Die Variationen über den Basso Continuo des ersten Satzes der Kantate „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen, Angst und Noth sind des Christen Thrähnenbrod“ und des Crucifixus der h-Moll Messe von Sebastian Bach (so der vollständige Titel der Erstausgabe Körner 1865) sind Liszts organistischem Mitstreiter und Adlatus Alexander Wilhelm Gottschlag (1826-1907) gewidmet, der zunächst als Kantor in Tiefurt (bei Weimar) und dann Weimarer Hoforganist war.

Diesem Orgelwerk von 1863 gingen zwei Bearbeitungen desselben Themas für Klavier voraus, beide zugeeignet dem Pianisten und Komponisten Anton Rubinstein: 1859 war „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ – Präludium nach J. S. Bach, 1862 eine Variationenreihe mit dem auch für das spätere Orgelwerk verwendeten Titel entstanden. Nach 16 Takten Lento, die bereits ein Konzentrat des Folgenden darstellen, setzt in Takt 17 pp dolente die eigentliche Variationsfolge ein.

Man mag in dieser eine Passacaglia erblicken; aber wie alles Historische, so hat sich auch dieser gattungsgeschichtliche Bezug vor dem Hauptanliegen des Werkes zu rechtfertigen, das jedoch nicht (wie später bei Rheinberger oder Merkel) in einer autonomen Reaktivierung vorklassischer Variationsprinzipien besteht. So kommt denn auch die Musik nicht passacaglienartig
„in Schwung“, sondern verharrt – den Boden der Tonika f-Moll mehr und mehr unter den Füßen verlierend – in einer beklemmenden Lethargie.

Die Triolenbewegung ab Takt 92 leitet eine weitere Verselbstständigung chromatischer Schwerelosigkeit ein, die erst in den Takten 152-154 „gewaltsam“ annulliert wird, indem die Bewegung auf das dominantische C eingeengt wird. Es folgt in Takt 156 eine erstmalige Präsentation des Themas im Unisono, worauf der anschließende Taktwechsel (4/4) eine neue Phase einleitet. Sie führt zu dynamischen Ausbrüchen, die nach all der Verhaltenheit gleichwohl nicht befreiend wirken.

Ein trügerisch-vorläufiger Schluss ist mit dem Sextakkord f- Moll in Takt 205 erreicht. Chromatik und terzparallele Glanztonskalen (ab T. 206) bringen die Musik nun an den Rand tonaler Auflösung; die anschließenden Rezitative (es sind tatsächlich zwei, denn sie Sopranlinie wird später im Bass wiederholt) lassen uns vergessen, dass wir uns in einer Variationenfolge befinden. Erst die Takte 264-288, in denen der Bass chromatisch von F bis c aufsteigt, „rekonstruieren“ die Grundtonart und führen zum letztmaligen Zitieren dessen, was Liszt „Basso Continuo“ nannte.

Der verminderte Septakkord bildet das Ziel dieser Phase; ein letztes Abirren in den folgenden Takten signalisiert noch einmal die Gefährdung der Tonalität, bevor das Werk in den Schlusschoral („Was Gott tut das ist wohlgetan“) der im Titel genannten Bach-Kantate mündet. Hier herrscht die reinste Diatonik, und auch die chromatischen Rückblicke auf das Variationsthema sind jenseits allen Risikos. Den Abschluss (Maestoso) bildete ein Schwelgen in F-Dur, dessen Problematik nicht zu leugnen ist: Eine Regenerationskraft, die glaubhaft eine so leidvoll-genial ins Wanken gebrachte Tonalität wieder stabilisieren könnte, gibt es nicht.

Robert Schumann Aus den 6 Fugen über BACH op. 60

Op. 60 ist ein Zyklus, der zwar selten ganz gespielt wird, aber durchaus so konzipiert ist: Erst am Schluss der sechsten Fuge steht „Fine“. Nr. 1 in B-Dur repräsentiert den Typus der Steigerungsfuge („Nach und nach schneller und stärker“); Nr. 2, ebenfalls in B-Dur, begegnet dem alten Satzprinzip mit teilweise beethovenschen Mitteln. Mit Nr. 3, einer andachtsvollen Meditation in g-Moll wird B-Dur vorübergehend verlassen, bis Nr. 4, mit ihren Engführungen und krebsgängigen Themenpräsentationen die „gelehrteste“ der sechs Fugen, wieder an die „Haupttonart“ des Zyklus anknüpft.

Nr. 5 in F-Dur ist, äußerlich der Gigue folgend, ein romantisches Scherzo: Schumann gelingt es hier, die Tonfolge B-A-C-H im Thema so zu verstecken, dass ihr erneutes Auftreten (in punktierten Vierteln) als Novum wirkt. Nr. 6 (B-Dur) schließlich dringt bis zur Fünfstimmigkeit vor, leitet aus dem dritten Thementakt ein zweites Thema ab und baut sich zur Doppelfuge auf, kontrapunktische Kunst und romantischen Willen zum monumentalen Klang verbindend.

Den Fugenzyklus op. 60 auf die Vielstimmigkeit der Sonate beziehen zu wollen, erscheint als gewaltsam und überflüssig, hatte doch diese Form „ihren Lebenskreis durchlaufen“, wie Schumann selbst konstatierte. Was er anstrebte, hatte bereits Beethoven in Worte gefasst: „Eine Fuge zu machen ist keine Kunst; ich habe deren Dutzende in meiner Studienzeit gemacht. Aber die Phantasie will auch ihr Recht behaupten, und heutzutage muss in die althergebrachte Form ein anderes, ein wirklich poetisches Element kommen.“ Diese Forderung sollte fortan die Trennungslinie zwischen bloßen Handwerkern und wirklich schöpferischen Komponisten markieren.

Max Reger Phantasie und Fuge über B-A-C-H op. 46

Anlässlich der 1. Sonate op. 33 hatte Reger bei seinem „Beinahe-Lehrer“ Rheinberger wegen einer Widmung vorgefühlt, nun machte er Ernst: „Herrn Geheimrath Professor Dr. Joseph von Rheinberger in besonderer Verehrung zugeeignet.“ – das ist sowohl eine Reverenz vor einem der alten Herren, die noch das Sagen haben, also auch ein „werbewirksames“ Motto. Leider ist uns über Rheinbergers Reaktion keine authentische Aussage erhalten. In op. 40,2 („Straf` mich nicht in deinem Zorn“) hatte Reger, zusätzlich zum Choral, mit einem denkbar kurzen Motiv gearbeitet (siehe dort).

Hier nun operiert er, ohne jeden Cantus firmus, nur mit den vier Tönen des berühmten Namenssymbols. Er streckt und verkürzt es so, dass es ihm in fünf verschiedenen Tondauern (von Halben bis Zweiunddreißigsteln) zur Verfügung steht. Die größeren Werte erlauben ein gleichsam Cantus-firmus-bezogenes Kontrapunktieren, die kürzeren durchtränken selbst kleinste Phrasen und prägen auch die Harmonik. In drei großen Wellen verläuft die Fantasie, mit deutlichen Zäsuren in den Takten 12 und 30.

Die Omnipräsenz des B-A-C-HMotivs kann man als Mittel der Vereinheitlichung rühmen – sie hat aber auch ihre problematischen Seiten. Trotz aller Crescendi scheint sich die Komposition weniger zu entwickeln als vielmehr kaleidoskopartig in sich zu rotieren. Dennoch legt die Fantasie ihren Weg „per aspera ad astra“ zurück – der C-Dur-Akkord in T. 55 (B-A-C-H) bestätigt es. Was bleibt der Fuge zu tun übrig? Anders als in op. 29 kann sie nicht auf die Problemstellungen der Fantasie antworten; ihre Aufgabe ist es vielmehr, den „Stand des Materials“, des harmonischen vor allem, fugentechnisch nachzuvollziehen, den die Fantasie mehr homophon behauptet hatte.

Beckmessereien hinsichtlich ihrer Satztechnik sind verfehlt, solange man nicht diese Zielsetzung berücksichtigt. Natürlich bleibt einiges an Tradition auf der Strecke: Die kaum getarnten Oktavparallelen etwa in T. 135 (und nicht nur da) wären in einer strengen Fuge höchst bedenklich. Aber Reger will ja etwas anderes: Sein Ziel ist weniger die Kombination beider Themen als vielmehr die Rückeroberung des harmonischen Höhenfluges mit den Mitteln der Doppelfuge – oder vielmehr trotz dieser Form. Im Dienste dieser Strategie steht auch die Tempozunahme der Fuge: Ob man streng nach Regers Vorschrift von Halbe = 50 auf Halbe = 140 beschleunigt (was ziemlich rasant wäre) oder die Angabe cum grano salis behandelt: Die Beschleunigung als solche ist unabdingbar.

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