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Orgelmatinee im Fuldaer Dom mit Marek Kudlicki

Fulda. Am 4. Dezember, 12.05 Uhr, eröffnet Marek Kudlicki die diesjährigen Adventsmatineen mit einem ungewöhnlichen Programm: Gabrieli, Wilhelm Friedemann Bach und Frederick Chopin. Mit dem polnischen Komponisten Przybylski setzt der Gast aus Wien einen Schlusspunkt, mit dem er gleichzeitig dem berühmten polnischen Komponisten Nowowiejski huldigt. Der Kostenbeitrag für die Orgelmatineen beträgt 3,50 € (ermäßigt 2,50 €).

Marek Kudlicki gehört zu den wenigen Organisten, die ihren Lebensunterhalt fast ausschließlich mit ihrer Konzerttätigkeit verdienen. Geboren ist er in Tomaszow Lubelski in Polen. Nach Abschluss des Musikgymnasiums in Lublin begann er das Orgelstudium unter Prof. Joachim Grubich an der Musikakademie in Krakau. Sein Diplom erwarb er 1972 mit Auszeichnung und der Verleihung des Titels „Magister der Kunst“. Bemerkenswerterweise begann er seine Kariere als Musiker schon während seines Studiums mit Konzerten und Aufführungen in vielen Städten Polens. Weitere Studien folgten bei Prof. Hans Haselböck an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien. Im Jahre 1973 gewann Marek Kudlicki den Ersten Preis (und den Sonderpreis des polnischen Ministeriums für Kultur und Kunst) beim Orgelwettbewerb in Polen.

Viele Jahre hindurch hat er nun eine lebhafte künstlerische Tätigkeit durch Konzerte in fast allen europäischen Ländern entfaltet. Oftmals auch in den U.S.A. und Kanada (44 Konzerttourneen), darüber hinaus in Australien, Neuseeland, Südafrika, Kolumbien, Argentinien, Mexiko, Hong Kong, Japan, Korea, Malaysia, Singapur und Taiwan. Bei internationalen Wettbewerben ist er als Interpret oder Juror aufgetreten. Zur 300-Jahr-Feier für J. S. Bach 1985 wurde Marek Kudlicki eingeladen, auf der größten Orgel Asiens beim Internationalen Festival in Seoul zu spielen. Zahlreich sind seine Aufnahmen für diverse Rundfunk- und Fernsehanstalten u. a. Radio Hilversum, Radio New Zealand, Radio Suisse Romande, National Public Radio (U.S.A.), South African Broadcasting Corporation und für mehrere Schallplattenfirmen. Er hielt Vorträge über polnische Orgelmusik an Universitäten in verschiedenen Weltteilen.

Zu den Werken:

Andrea Gabrieli

Der ältere der beiden Gabrieli war nicht nur als Organist berühmt (von 1564 bis zu seinem Tod wirkte er an San Marco), er war in Venedig auch gewissermaßen offizieller Komponist der Republik, bei dem die Festmusiken für besondere Anlässe bestellt wurden. Weiter war er ein gesuchter Lehrer, zu dessen Schülern u. a. Hans Leo Haßler, Gregor Aichinger sowie sein Neffe Giovanni Gabrieli zählten. Seine erste Ausbildung hatte er als Sänger an San Marco womöglich von Adrian Willaert empfangen, später war er als Organist in Verona und für einige Jahre auch am herzoglich bayrischen Hof in München tätig. Andrea Gabrielis Orgelkompositionen umfassen bereits die vielfältigen Gattungen des zeitgenössischen Repertoires: Ricercare, Canzona, Toccata, Intavolierungen und liturgische Stücke verschiedener Art. Sind die liturgisch gebundenen Stücke wie die Intonationen und die Messen sicher der Orgel zuzuweisen, so bleibt bei den übrigen Werken die Wahl des Instruments offen; die Titel der venezianischen Erstdrucke sprechen von „jeder Art von Tasteninstrumenten“. Verglichen mit den Ricercaren Girolamo Cavazzionis ist eine weitere Fortentwicklung erkennbar: Gabrieli arbeitet mit weniger Themen und wendet dafür reichere kontrapunktische Techniken an, etwa Diminution und Augmentierung, Umkehrung und Engführung. Die Canzonen sind formal teilweise den Ricercaren ähnlich, aber im Charakter von ihnen verschieden.

Wilhelm Friedemann Bach Fuge in F-Dur

Diese pedaliter-Fuge wird in der Literatur oft als „Tripelfuge“ bezeichnet, was insofern unzutreffend ist, als es sich nicht um eine Fuge mit drei Themen handelt; vielmehr sind dem einen Thema zwei obligate Kontrapunkte beigegeben. Der zweite von ihnen ist der Gegenstimme des Fugenthemas des Concerto d-Moll BWV 596 von J. S. Bach ähnlich. Die durchlaufende Sechzehntelbewegung zusammen mit dem immer in einer Stimme vollständig oder in Fragmenten auftretenden ersten Kontrapunkt mit sequenzierenden, stufenweise absteigenden Gruppen aus repetierenden Noten erzeugt in dieser ausladenden Fuge einen mitreißenden Schwung. Der technische Anspruch an den Spieler ist hoch; auch das Pedal spielt in diesem Stück eine besonders große Rolle. Die Pedaleinrichtungen der verschiedenen Ausgaben weichen sehr voneinander ab. Oft werden die in den Quellen vorhandenen Füllstimmen eliminiert; daher ist, um zu einem zuverlässigen Notentext zu gelangen, eine Sichtung der Quellen durch den Interpreten unumgänglich.

Robert Schumann Sechs Fugen über den Namen B-A-C-H op. 60

Op. 60 ist ein Zyklus, der zwar selten gespielt wird, aber durchaus so konzipiert ist: Erst am Schluss der sechsten Fuge steht „Fine“. Nr. 1 in B-Dur repräsentiert den Typus der Steigerungsfuge („Nach und nach schneller und stärker“); Nr. 2, ebenfalls in B-Dur, begegnet dem alten Satzprinzip mit teilweise beethovenschen Mitteln. Mit Nr. 3, einer andachtsvollen Meditation in g-Moll wird B-Dur vorübergehend verlassen, bis Nr. 4 mit ihren Engführungen und krebsgängigen Themenpräsentationen die „gelehrteste“ der sechs Fugen, wieder an die „Haupttonart“ des Zyklus anknüpft. Nr. 5 in F-Dur ist, äußerlich der Gigue folgend, ein romantisches Scherzo: Schumann gelingt es hier, die Tonfolge B-A-C-H im Thema so zu verstecken, dass ihr erneutes Auftreten (in punktierten Vierteln) als Novum wirkt.

Nr. 6 (B-Dur) schließlich dringt bis zur Fünfstimmigkeit vor, leitet aus dem dritten Thementakt ein zweites Thema ab und baut sich zur Doppelfuge auf, kontrapunktische Kunst und romantischen Willen zum monumentalen Klang verbindend. Den Fugenzyklus op. 60 auf die Vielstimmigkeit der Sonate beziehen zu wollen, erscheint als gewaltsam und überflüssig, hatte doch diese Form „ihren Lebenskreis durchlaufen“, wie Schumann selbst konstatierte. Was er anstrebte, hatte bereits Beethoven in Worte gefasst: „Eine Fuge zu machen ist keine Kunst; ich habe deren Dutzende in meiner Studienzeit gemacht. Aber die Phantasie will auch ihr Recht behaupten, und heutzutage muss in die althergebrachte Form ein anderes, ein wirklich poetisches Element kommen.“ Diese Forderung sollte fortan die Trennungslinie zwischen bloßen Handwerkern und wirklich schöpferischen Komponisten markieren. Die Erläuterungen zu den Werken sind z.T. zitiert nach: „Handbuch Orgelmusik – Komponisten, Werke, Interpretation“, hrsg. Von R. Faber u. P. Hartmann, Bärenreiter-Verlag Kassel, 2002.

Bronisław Kazimierz Przybylski

Der polnische Komponist Bronisław Kazimierz Przybylski wurde 1941 in Lodz geboren und hat dort zunächst Komposition und Musiktheorie studiert. Von der weiteren Station Kattowitz ging er nach Wien, wo er bei dem berühmten Roman Haubenstock-Ramati weiterstudierte. Noch als Student erhielt er erste Preise. Sein kompositorischer Fokus richtete sich vor allem i Richtung Orchester-, Kammer- und Chormusik. Das heute zu hörende Orgelwerk Rota, eine Passacaglia auf der Basis eines Themas des berühmten polnischen Komponisten Felix Nowowiejski ist 1985 komponiert. Nowowiejskis patriotisches Lied ist 1910 komponiert und in Polen vielleicht noch höher geschätzt als die Nationalhymne. Es wird im ganzen Land gesungen und ist in Polen zu einem Symbol für den Kampf um Freiheit geworden.

Orgelmatinee am Samstag, 4. Dezember 2010 um 12.05 Uhr

Programm:

  • Andrea Gabrieli (1510 – 1586) Toccata primi toni
  • Wilhelm Friedemann Bach (1710 – 1784) Fuge F-Dur
  • Frederick Chopin (1810 – 1849) Präludium e-Moll Op. 28 Nr. 4, Präludium h-Moll Op. 28 Nr. 6
  • Robert Schumann (1810 – 1856) Fuge No. 6 aus “Sechs Fugen über B-A-C-H” Op. 60
  • Bronisław K. Przybylski (* 1941) “Rota” – Passacaglia über ein Thema von Feliks Nowowiejski (1985)

An der Domorgel: Marek Kudlicki, Wien

Weitere Informationen zu den Orgelkonzerten im Fuldaer Dom finden Sie unter www.orgelmusik.bistum-fulda.de.

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