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Vollgas für mehr Sicherheit auf den Straßen der Region

Fulda. Gerhard Brink wirft einen Blick in seinen Terminkalender. Abgesehen von wenigen Wochen im Sommer gab es da in diesem Jahr kaum weiße Stellen. Mindestens 80 Mal war er bei Veranstaltungen für die Kreisverkehrswacht Fulda im Einsatz. „Auf vier Stunden Arbeit pro Tag komme ich locker“, erklärt der Vorsitzende der Kreisverkehrswacht. Der Clou: Der 62-Jährige ist ehrenamtlich im Einsatz. Zunächst ab 1982 als Verbindungsmann der Polizei, seit dem Jahr 2001 als Vorsitzender.

Fotos (2): Max Colin Heydenreich

„Unser Ziel: Weniger Unfälle, weniger Verletzte, weniger Leid und weniger Tote auf den Straßen“, sagt Brink. Dabei will die Kreisverkehrswacht die Menschen mit gezielten Aktionen erreichen und Einsicht wecken, nicht aber mit Bußgeldern und Sanktionen drohen. „Wenn es Klick macht im Kopf, geht der Fuß automatisch vom Gaspedal und man schnallt sich richtig an“, erklärt der Polizeibeamte. Im vergangenen Jahr habe es alle elf Sekunden auf Straßen in Deutschland gekracht, jede Stunde habe es 45 Verletzte und jeden Tag elf Tote gegeben. Was Brink besonders erschüttert: „Alle 20 Minuten passiert ein Unfall mit Kindern, jeden vierten Tag wird gar ein Kind im Straßenverkehr getötet, mehr als die Hälfte davon im Auto der Eltern.“

Um diese schlimmen Zahlen weiter nach unten zu drücken, gibt es ganz einfache Maßnahmen. „Fast jeder Erwachsene schnallt sich falsch an“, sagt Brink und erläutert detailliert, wie man es richtig machen muss. So ließen sich 30 bis 40 Prozent der schweren Verletzungen im Innenstadtbereich vermeiden. Der häufigste Fehler, gerade im Winter: Der Gurt liegt über der Mantel- oder Jackentasche, in der das Handy oder die Haustürschlüssel schlummern. Bei einem Unfall, wenn der Gurt richtig zupackt, drücken jetzt mehr als zwei Tonnen auf die Gegenstände, wodurch es am Körper sofort zu schweren Hämatomen oder Brüchen kommt.

Um das zu vermeiden, sollte vor dem Anlegen des Gurtes die Jacke geöffnet und mit beiden Händen nach links und rechts weggeschlagen werden. Nach dem Anschnallen kann man die Jacke wieder schließen. So werden die gefährlichen Druckstellen vermieden. Brink ist jetzt in seinem Element und hat gleich noch zusätzliche Tipps parat. So sollte die Kopfstütze an der Oberkante des Kopfes abschließen und die Rückenlehne möglichst senkrecht stehen.

Im Kampf gegen die Gefahren im Straßenverkehr ist der 62-Jährige zwar weitgehend Einzelkämpfer, aber nicht alleine. Unterstützung erhält er von seiner Stellvertreterin Gabrielis Steinberger, einem Kassenprüfer und Irmgard Müller, die derzeit noch die Geschäftsstelle in der Frankfurter Straße leitet. Der gemeinnützige Verein hat 93 weitgehend passive Mitglieder, dazu zählen 17 Städte und Gemeinden im Landkreis Fulda. Ein ständiges Problem ist die Finanzierung der zahlreichen Aktionen, denn eine regelmäßige finanzielle Unterstützung von Kommune, Land oder Bund gibt es nicht. „Verkehrssicherheit zum Nulltarif geht aber nicht“, betont Brink, der sich in den vergangenen Jahren zum Finanzjongleur entwickelt hat und ohne Sponsoren und gelegentliche Spenden den Tätigkeitsbereich schon deutlich hätte einschränken müssen.

Viel lieber als über leere Kassen redet der Vorsitzende der Kreisverkehrswacht jedoch über sein vorbildliches Engagement in Kindergärten und Schulen. So hält er regelmäßig Seminare in Kindergärten, um die Eltern für die ganz eigene Wahrnehmungs- und Erlebniswelt der Kinder zu sensibilisieren. Im Mittelpunkt steht stets die Frage: „Warum verunglücken Kinder?“ Gemeinsam mit den Kleinen und deren Eltern geht Brink den Schulweg ab, weist auf Gefahren hin und baut einen Prüfungsparcours auf.

Ein Diagnosebogen hilft später, individuelle Schwachpunkte wie beispielsweise beim Überqueren einer Straße auszumerzen. Die sicherste Möglichkeit für Kinder, um unfallfrei in die Schule zu kommen, sei per Fuß, so Brink. Deutlich höher liegt die Wahrscheinlichkeit, mit dem Fahrrad oder im Auto der Eltern zu verunglücken. Eine weitere Schwachstelle, auf die der frühere Polizeibeamte gerne hinweist, ist der Fahrradhelm bei Kindern. „Der sitzt häufig falsch und schützt dann das Gesicht und die Nase nicht richtig.“ 30 Euro reichten bereits vollkommen aus, um einen perfekten Schutz zu gewährleisten, sagt Brink.

Auch für die jungen Zweiradler hat die Kreisverkehrswacht einiges im Angebot. Neben Geschicklichkeitsaufgaben warten unter anderem auch ein Brems- und Reaktionstest. Um die am meisten gefährdete Gruppe der Autofahrer, die 18- bis 24-Jährigen, vor schlimmen Unfällen zu schützen, geht Brink zusammen mit einem Notarzt in die Schulen und zeigt den Oberstufenschülern schockierende Bilder von schlimmen Unfällen. Der Notarzt spricht über die Folgen von Alkohol am Steuer, und spezielle Rauschbrillen verdeutlichen, wie gravierend sich die Fahrleistungen eines alkoholisierten Verkehrsteilnehmers reduzieren.

Einen Überschlagsimulator und einen Gurtschlitten hat Brink zusätzlich im Gepäck mit dabei. Ihm geht es bei dieser Form der Schulung speziell darum, die Emotionen der Schüler zu wecken. „Die Erzählungen unseres Notarztes bewirken, dass die Schüler nachdenklich werden. So lässt sich auch eine Bewusstseinsveränderung erreichen“, erklärt der 62-Jährige das Ziel seiner schulischen Missionen, zu der auch die Ausbildung von Schülerlotsen gehört. Fast jeder zweite in Hessen tätige Schülerlotse komme inzwischen aus dem Landkreis Fulda.

Zu einem aktuell in der Politik diskutierten Thema – Tempo 30 in der Innenstadt – hat Brink eine klare Meinung: „Je geringer die Differenzgeschwindigkeit zwischen Auto und aufprallendem Fußgänger oder Hindernis, so geringer sind die Folgen“, erklärt er. Auf Haupteinfallstraßen wie etwa der Frankfurter Straße in Fulda könne man die Maximalgeschwindigkeit bei 50 belassen, auf allen anderen sei eine Reduzierung auf 30 sinnvoll. Die daraus resultierende zeitliche Differenz falle dabei kaum ins Gewicht. Mit einem leichten Schmunzeln gibt Brink zu, auf der Autobahn auch ganz gerne mal recht flott zu fahren. In der perfekten Sitzposition und richtig angeschnallt gibt er Gas – für mehr Sicherheit und weniger Unfälle auf den heimischen Straßen.

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