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Beratungsstelle und Begegnungsstätte – Ein Netzwerk für alle von 0 bis 100

Hofbieber. Ohne mit der Wimper zu zucken, hat Irmgard Scholz gerade ihre Schwiegermutter hinausgeworfen. Einfach so – aber nicht aus dem Haus, sondern beim Mensch-ärgere-dich-nicht. Zusammen mit weiteren Frauen im Alter zwischen Ende 30 und Ende 70 spielen die Hofbieberinnen während des Offenen Treffs in der Seniorenbegegnungsstätte in Hofbieber nach einem gemütlichen Kaffeekränzchen jeden Dienstagnachmittag Karten oder Brettspiele. Plötzlich dringt fröhlicher Kinderlärm aus dem Erdgeschoss herauf: Die Schützlinge der Kindertageseinrichtung in Hofbieber, unter deren Dach sich das Familienzentrum befindet, haben ihren Mittagsschlaf beendet. Davon lassen sich die Spielerinnen nicht irritieren und würfeln und plaudern munter weiter.

Seit September 2010 nutzt die Stiftung „Kommunales Netzwerk Humandienste Hofbieber“ (KNHH) die Räumlichkeiten des eigens an die Kindertageseinrichtung angebauten Familienzentrums. Die Stiftung  KNHH war 2009 von der Gemeinde Hofbieber gemeinsam mit der Unternehmensgruppe Mediana ins Leben gerufen worden, um sich den Herausforderungen des demografischen Wandels zu stellen. Vorausgegangen war 2007 die Gründung eines Fördervereins mit dem Ziel, die Stiftung finanziell zu unterstützen.

Das Familienzentrum, das im vergangenen Jahr eingeweiht wurde, setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen: Geschäftsführerin des Kommunalen Netzwerks ist Tina Schwind, die vor allem für die Themen Gesundheit, Pflege und Hilfe in besonderen Lebenslagen (dazu gehören häufig Trennungsabsichten oder Frührente) Ansprechpartnerin ist. Ihr zur Seite steht die Leiterin der Kindertageseinrichtung, Martina Nenzel, als Zuständige für Fragen rund um die Kindererziehung.

Martina Menzel organisiert pädagogische Informationsabende, Kurse wie „Erste Hilfe am Kind“, „SMOG Elternschule“ oder „Das Baby verstehen“ sowie Musikschule und „Englisch für Vorschulkinder“. Als Ergebnis der Vernetzung sind derartige Angebote mittlerweile nicht mehr nur für die eigene Einrichtung gedacht, sondern für alle Interessierten offen. Für Ältere finden in der Seniorenbegegnungsstätte ebenfalls diverse Veranstaltungen statt, beispielsweise Gedächtnistraining oder – wie kürzlich  – ein Vortrag über „Senioren im Visier von Trickbetrügern“.

„Das Familienzentrum ist für Menschen zwischen 0 und 100“, betont Martina Nenzel. Zur Berührung ihres Aufgabenbereichs mit dem von Tina Schwind komme es bei der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf –  insbesondere in Konstellationen, wo sich „das Mittelalter“ sowohl um minderjährige Kinder als auch um pflegebedürftige Ältere kümmern muss. „Generationenarbeit bedeutet nicht, Kinder und Ältere in einen Raum zu stecken“, betonen die beiden Frauen. Wichtiger ist es ihres Erachtens, dass die aufeinanderfolgenden Generationen miteinander sprechen, gerade auch Rentner und Erwerbstätige. Eltern müssten formulieren, wie sie – vielleicht trotz Pflegebedürftigkeit – wohnen wollen und inwieweit sich dies mit den Lebensplänen der erwachsenen Kinder vereinbaren lässt. Auch dazu werden im Familienzentrum Veranstaltungen durchgeführt, beispielsweise eine Schulung für Bevollmächtigte.

Tina Schwind bietet im Büro des KNHH dienstags und donnerstags Sprechstunden nach Vereinbarung an. In dem Ziel, Ansprechpartner für soziale Fragen vor Ort zu sein, unterscheidet sich das Netzwerk nicht von ähnlichen Vereinen im ländlichen Raum. Während in deren Namen das „Füreinander“ betont wird, gefällt Tina Schwind gerade die etwas sperrige Bezeichnung „Kommunales Netzwerk Humandienste Hofbieber“. Denn nicht Wohltätigkeit solle für die derzeit elf ehrenamtlichen Helfer im Vordergrund stehen, sondern Hauptziel sei, den Ratsuchenden durch kostenlose Informationen über familiennahe Dienstleistungen verschiedene Möglichkeiten aufzuzeigen und ihnen so Handlungsfähigkeit zurückzugeben.

Die Ehrenamtlichen sind verpflichtet, an einer etwa 30stündigen Grundschulung teilzunehmen. Danach besteht die Möglichkeit zu Fortbildungen, beispielsweise mit den Schwerpunkten Entlastung Alleinerziehender oder pflegender Angehöriger oder die Pflege demenziell Erkrankter. Für die Ausbildung der Ehrenamtlichen hat der Landkreis Fulda dem KNHH einen Zuschuss in Höhe von 1000 Euro aus der Ehrenamtsstiftung des Landkreises gewährt.

Die sich engagierenden Bürgerinnen, die beim Offenen Treff in der Seniorenbegegnungsstätte Kuchen mitbringen oder einfach dafür sorgen, dass pflegebedürftige Menschen ohne die Betreuung durch Angehöriger teilnehmen können, verlieren vielleicht beim Rommé oder Mensch-ärgere-dich-nicht. Aber ein Gewinn für alle ist der gegenseitige Austausch. Damit sich nicht eine Generation von der anderen ausgespielt fühlt.

Foto: Limpert

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