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Ergebnisse der 84. Gesundheitsministerkonferenz unter dem Vorsitz Hessens

Frankfurt am Main. Zur 84. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) sind die Ministerinnen und Minister sowie Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit der 16 Bundesländer am 29. und 30. Juni 2011 in Frankfurt am Main unter dem Vorsitz des Hessischen Sozialministers Stefan Grüttner zusammengekommen. „Mit zahlreichen einstimmigen Beschlüssen hat die GMK Weichen für notwendige Reformen gestellt, die zu einer Verbesserung und Sicherung unseres Gesundheitssystems beitragen“, erklärte Sozialminister Grüttner im Anschluss an die Ministerkonferenz.

Die Weiterentwicklung bestehender Strukturen der Vorsorge, der Behandlung und der Prävention sei gerade in einer alternden Gesellschaft von großer Bedeutung, so Grüttner weiter. „Es kann nicht sein, dass sich die Patientinnen und Patienten dem bestehenden System der Gesundheitsversorgung anpassen müssen. Vielmehr kommt es darauf an, dass wir die Strukturen und politischen Rahmenbedingungen so fortentwickeln, dass sie die Bedürfnisse der Patienten auch erfüllen.“ Dazu sei eine enge Zusammenarbeit aller Akteure von größter Bedeutung. Ein gutes Beispiel hierfür sei die enge Kooperation zwischen Bund und Ländern bei den Verhandlungen zum geplanten bundesweiten GKV-Versorgungsgesetz, mit dem die ärztliche Versorgung in Deutschland modernisiert und gesichert werden soll, sagte der GMK-Vorsitzende: „Es ist möglich, durch intensive Beratungen auf politischer und fachlicher Ebene unterschiedliche Meinungen zusammenzuführen und zu guten Lösungen im Interesse der Menschen zu kommen. Insofern kann dieser Weg einer Bund-Länder-Kommission beispielgebend für künftige wichtige Gesetzgebungsverfahren sein.“ Der Sozialminister lobte die konstruktive Atmosphäre der Ministerkonferenz, die sich mit einer Tagesordnung mit mehr als 30 Anträgen beschäftigt hatte (siehe ausgewählte Beschlüsse im Anschluss): „Die Teilnehmer haben länderübergreifend und über parteipolitische Grenzen hinweg sehr sachorientiert zusammengearbeitet.“ 2012 übernimmt das Saarland den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz.

EHEC: Die Länder sprechen sich dafür aus, dass sichergestellt wird, dass die Mehraufwendungen für die Krankenhäuser bei der Bewältigung der EHEC-Krise erstattet werden. Auch wenn bereits heute per Gesetz die Möglichkeit besteht, dass Krankenhäuser unter gewissen Voraussetzungen Budgets nachverhandeln können, müsse nun geprüft werden, ob dies auch tatsächlich zu einer Anpassung der Kostenerstattung führe, erklärte der GMK-Vorsitzende Stefan Grüttner. „Uns kommt es darauf an, dass die Krankenhäuser, die über Gebühr mit der Behandlung von EHEC-Infektionen belastet sind und hier hervorragende Arbeit leisten, nicht im Nachhinein dafür bestraft werden, indem Fälle außerhalb der vereinbarten Budgets nur zu 35 Prozent von den Krankenkassen getragen werden. Die Krankenhäuser müssen leistungsgerecht entgolten werden.“ Die Ministerkonferenz erwartet, dass die laufenden Verhandlungen zwischen Krankenhäusern und Kassen zu den Mehraufwendungen bis Ende 2011 abgeschlossen werden. Für den Fall, dass es dabei zu keiner einvernehmlichen Regelung kommt, wurde der Bund aufgefordert, die Kostenerstattung gesetzlich zu regeln. Die Zusammenarbeit zwischen Ländern, Kommunen und Bundesinstituten während des EHEC-Geschehens habe sich bewährt, sagte Grüttner weiter. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll sich nun mit den Meldewegen und deren eventuellen Verbesserungsmöglichkeiten beschäftigen.

Organspende: Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren sind sich darüber einig, dass nach über zehn Jahren Erfahrungen mit dem derzeitigen Transplantationsgesetz Verbesserungsbedarf besteht, um dem fortbestehenden Organmangel entgegen wirken zu können. Deswegen soll die derzeitige erweiterte Zustimmungslösung in eine Erklärungslösung umgewandelt werden. Demnach sollen die Bürgerinnen und Bürger in einem noch festzulegenden Verfahren über Organspende informiert und zu einer persönlichen Erklärung aufgefordert werden, ob sie einer Organspende zustimmen, sie ablehnen oder sich nicht erklären möchten. Bei unterbliebener Erklärung ist eine Organentnahme bei einem potenziellen Organspender erlaubt, sofern die Angehörigen zustimmen. „Mit der einstimmigen Forderung einer Erklärungslösung setzen die Länder ein Zeichen, dass sich bei der Organspende nun rasch etwas tun muss“, erklärte der GMK-Vorsitzende Grüttner.

Um die Organspendesituation nachhaltig zu verbessern, müsste darüber hinaus ein ganzes Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht werden, betonte Grüttner. Es gehe vor allem darum, die Krankenhäuser mit einzubeziehen. „Hier muss im Transplantationsgesetz für eine Verbesserung des strukturellen und organisatorischen Ablaufs bei der Organspende gesorgt werden“, erklärte der Minister. Der Forderung der Länder, dass alle Krankenhäuser mit Intensivstation mindestens einen Transplantationsbeauftragten bestellen müssen, ist die Bundesregierung in ihrem Regierungsentwurf zur Änderung des Transplantationsgesetzes bereits nachgekommen. Allerdings bestehe noch Nachbesserungsbedarf, da unklar bleibt wie viele Transplantationsbeauftrage ein Krankenhaus haben muss und für welche Krankenhäuser Ausnahmeregelungen gelten. Die Erfassung möglicher Organspender müsse verbessert und die Leistung der Krankenhäuser im Bereich Organspende transparenter und vergleichbarer gemacht werden. Im Hinblick darauf sei es aber auch wichtig, dass derzeit geprüft werde, ob die Aufwandsentschädigung der Krankenhäuser für das Engagement beim Organspendeprozess noch ausreichend ist.

Wesentlich sei, dass die Menschen Vertrauen in das System der Organspende haben können und für die Organempfänger ein ausreichender und effektiver Schutz besteht. Hier sei eine kontinuierliche und effektive staatliche Überwachung aller am Organspendeprozess beteiligten Institutionen notwendig. Dazu gehören vor allem die für die Entnahme zuständige Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), die Vermittlungsstelle für Organe Eurotransplant (ET) und die Bundesärztekammer, die die Vorschriften für den Ablauf der Organspende festlegt. Auch hier sei die Bundesregierung nur zum Teil auf die Forderung der Länder eingegangen, sagte der GMK-Vorsitzende weiter.

Zusätzlich sollen der GKV-Spitzenverband, die Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft endlich die seit 2004 unverändert geltende Aufwandserstattung für die Krankenhäuser und Transplantationszentren für deren Leistungen bei der Organspende prüfen und gegebenenfalls neu kalkulieren. Diese Forderung wurde bereits 2009 durch die Gesundheitsministerkonferenz gestellt. „Neben einer adäquaten Vergütung soll die Leistung der Krankenhäuser in Deutschland im Bereich Organspende transparenter und vergleichbarer werden. Dafür brauchen wir eine verlässliche Datenbasis, um künftig die Qualität der Versorgung nachhaltig sichern zu können“, so Grüttner.

Streichung des Abzugs bei Honorarbelegärzten: Honorarbelegärzten sollen nach dem Willen der Länder künftig nicht mehr, wie derzeit, 20 Prozent ihrer Vergütung abgezogen werden. „Es ist nicht einzusehen, warum beispielsweise ein auf dem Land niedergelassener Orthopäde, der zusätzlich als Belegarzt seine Patienten im nahegelegenen Krankenhaus betreut, für diese Tätigkeit im Gegensatz zu seinen dort angestellten Kollegen beim Honorar einen Abschlag von 20 Prozent in Kauf nehmen muss“, betonte Minister Grüttner. Diese derzeit bestehende Regelung laufe zudem allen Anstrengungen zuwider, die ärztliche Versorgung in strukturschwachen Regionen zu sichern. „Hier muss die Bundesregierung dringend eine Änderung im Krankenhausentgelt-Gesetz vornehmen“, so der GMK-Vorsitzende. Nach dem Willen der Ministerkonferenz soll die Kürzung in zwei Schritten zurückgenommen werden.

Arzneimittelsicherheit: Arzneimittelfälschungen stellen in zunehmendem Maße eine Herausforderung für die Gewährleistung einer sicheren Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dar. „Zwar ist die legale Vertriebskette bislang als sicher zu betrachten. Aber das Eindringen illegal hergestellter Arzneimittel stellt eine Gefahr für das gesamte Versorgungssystem mit Arzneimitteln dar, die nicht unterschätzt werden darf“, erklärte der GMK-Vorsitzende Grüttner. Um die Bevölkerung vor Gesundheitsschäden zu schützen, die durch substanzielle Fälschungen auftreten können, sei eine Zusammenarbeit aller Marktbeteiligten sowie aller betroffenen Behörden notwendig, so Grüttner weiter. Zudem müssten die Bürgerinnen und Bürger über die Gefahren des illegalen Arzneimittelhandels informiert und gewarnt werden. Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren bitten daher den Bund zu prüfen, welche Maßnahmen durch den Zoll oder andere Bundesbehörden ergriffen werden können, um die Zunahme des illegalen Handels mit Arzneimitteln einerseits und das Eindringen von Fälschungen in die legale Vertriebskette andererseits zu verhindern.

Zudem solle die Bundesregierung – wie im Koalitionsvertrag vom 26. Oktober 2009 vereinbart – dafür Sorge tragen, dass Arzneimittel künftig nicht mehr in Arzneimittel-Bestell- und Abholstellen („Pick-up-Stellen“) bezogen werden können. Diese werden außer von Drogeriemärkten mittlerweile auch von Reinigungen, Tankstellen und Blumenläden betrieben. „Jeder Patient muss sich darauf verlassen könne, dass ein vom Arzt verordnetes Arzneimittel mit der erforderlichen Sorgfalt gelagert und ausgegeben wird“, betonte Grüttner.

Fortschreibung Pandemieplan: Bei der Evaluation der H1N1-Pandemie bekräftigt die Ministerkonferenz ihren Beschluss von 2011, dass die Sicherung der Versorgung mit Arzneimitteln einschließlich Impfstoffen für die Pandemievorsorge Aufgabe des Bundes ist. Der Bund habe 2009 Druck auf die Länder zur Beschaffung erheblicher Impfstoffmengen gemacht, das betriebswirtschaftliche Risiko sei jedoch bei den Ländern verblieben, erklärte Minister Grüttner: „Um dies aufzulösen, sollte derjenige, der öffentlich die Beschaffung fordert, diese auch vornehmen müssen.“

Zudem sollten nach dem Willen der Ministerkonferenz die Entscheidungen darüber, welche Impf-Maßnahmen in Deutschland ergriffen werden, künftig von den Entscheidungen der WHO entkoppelt werden. Grüttner: „Die Phaseneinteilung der WHO richtet sich nach der epidemiologischen Lage der ganzen Welt und ist damit zu grob. Mit einer Entkoppelung kann regional flexibler auf unterschiedliche Szenarien reagiert werden.“

Nationaler Impfplan: Die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, ist in der letzte Zeit stark zurückgegangen. Die Gesundheitsminister der Länder hatten deswegen die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, wie der Impfmüdigkeit begegnet werden kann. Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren begrüßen den nun von der AOLG erstellten Entwurf für einen Nationalen Impfplan. „Dieser soll zum einen eine umfassende und übersichtliche Information über die Organisation des deutschen Impfwesens geben. Zum anderen werden hier wesentliche strategische Ziele formuliert, zu denen unter anderem die Elimination der Masern bis 2015 gehören“, sagte Sozialminister Grüttner.

Palliativmedizinische Versorgung: Wenn die Medizin nicht mehr heilen, sondern nur noch lindern kann, besteht die Notwendigkeit der palliativmedizinischen Versorgung. Sie kann teilweise durch den Hausarzt geleistet werden, bei schweren Fällen ist eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) durch „Palliative Care Teams“ bis zu 24 Stunden am Tag notwendig. Für die zeitaufwendige hausärztliche Betreuung gibt es aber derzeit keine gesonderte Vergütung, so dass häufig die kostenintensive SAPV verschrieben wird, obwohl eine hausärztliche Versorgung ausreichend sein könnte. Dies führt dazu, dass in den Fällen, in denen es intensiver SAPV bedarf, nicht genügend Teams zur Verfügung stehen.
„Wir müssen dringend mehr Klarheit über die Situation der Palliativpatienten haben“, sagte der GMK-Vorsitzende Grüttner. „Die Humanität einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie mit diesen Menschen umgeht. Um aber zu wissen, wann mit welchem Aufwand welche Hilfestellungen bereitgestellt werden müssen, bedarf es zunächst einer wissenschaftlichen Aufarbeitung.“ Auf Antrag des Landes Hessen fordert die GMK den Bund auf, ein entsprechendes Gutachten zu veranlassen.

Rettungsdienst: Die Aufwertung des Rettungsdienstes über die reine Beförderungsleistung hinaus ist ein weiteres Anliegen der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren. „Es ist überfällig, dass der Rettungsdienst eine eigene Rechtsgrundlage für seine Leistungen im Sozialgesetzbuch V erhält, das alle Bestimmungen zur Gesetzlichen Krankenversicherung zusammenfasst. Der Rettungsdienst muss endlich als ein eigenständiger Teil der gesetzlichen Leistung eingestuft werden“, betonte Sozialminister Grüttner.

Derzeit werden die Kosten für den Rettungsdienst als „Fahrkosten“ nur in Verknüpfung mit einer weiteren Leistung von den Krankenkassen übernommen. So kann es im Rahmen der bestehenden Regelung dazu kommen, dass Patienten auch in Fällen ins Krankenhaus transportiert werden, in denen dazu die Notwendigkeit nicht besteht, da sonst der Rettungsdienst seine Leistungen nicht angemessen abrechnen kann. „Es ist zum einen nicht mehr zeitgemäß, dass bei der Notfallrettung ausschließlich der Transport im Vordergrund steht. Dies ignoriert sträflich die seit Jahren bestehende Entwicklung der vorklinischen Versorgungsleistung und insbesondere der Notfallmedizin. Die Notfallrettung und der qualifizierte Krankentransport umfassen zwar auch die Beförderung, bieten aber vor allem die präklinische medizinische Versorgung und die Betreuung der betroffenen Patienten“, erklärte der GMK-Vorsitzende weiter. Zum anderen könnten durch die Aufgabe der Verknüpfung mit einer weiteren Krankenkassenleistung viele Krankenhauseinweisungen vermieden und somit Kosten eingespart werden. „Sollte das Bundesgesundheitsministerium nicht zeitnah dem Anliegen der Länder Rechnung tragen, werden wir die notwendige Gesetzesänderung im Rahmen einer Bundesratsinitiative anstoßen“, betonte Sozialminister Grüttner.

Alle Beschlüsse der GMK 2011 sind demnächst im Internet zu finden unter www.gmkonline.de.

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