Logo

Coaching auf Augenhöhe für Langzeitarbeitslose

Fulda. „Bewerbungstrainings bringen ALG II-Beziehern nichts!“ So lautete 2009 das Fazit einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Das Amt für Arbeit und Soziales des Landkreises Fulda, das für die Wiedereingliederung der Langzeitarbeitslosen zuständig ist, hat vor einem Jahr einen neuen Ansatz für das Förderinstrument entwickelt und kann heute eine der erfolgreichsten Maßnahmen seit Bestehen der Optionskommune präsentieren. Die „Unterstützte Jobsuche mit Bewerberservice“, so der offizielle Arbeitstitel der Maßnahme, beinhaltet drei Module: das Erstellen von Bewerbungsunterlagen, allgemeine Tipps für die Arbeitsuche und ein Einzelcoaching. Umgesetzt wird die Maßnahme vom Kreisverband Fulda Stadt und Land der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und vom Bildungszentrum des Hessischen Handels (bz).

Foto: Max Colin Heydenreich

Mit der maximal 15 Stunden dauernden Maßnahme wird nicht nur das unmittelbare Ziel der Integration in den Arbeitsmarkt verfolgt. „Wir geben vor allem auch Hilfe zur Selbsthilfe, damit unsere Kunden im Anschluss an die Maßnahme fähig sind, selbst gute Bewerbungen zu schreiben, passende Stellen zu finden und sich beim Arbeitgeber entsprechend zu präsentieren“, erläutert Markus Vogt, Teamleiter Eingliederung beim Amt für Arbeit und Soziales. Dort entscheiden die zuständigen Fallmanager wie Sonja Giebenhain, ob der Kunde ein geeigneter Kandidat für die „Unterstützte Jobsuche“ ist.

Aufgaben wie die Sichtung der vorhandenen Unterlagen, die Zusammenstellung einer vollständigen Bewerbungsmappe, die Schulung im Umgang mit Internet-Jobbörsen, die Analyse von Stellenangeboten oder die Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche haben erfahrene Berater von AWO und bz übernommen. Dabei betonen beide Träger den personenbezogenen Ansatz dieser Maßnahme. „Der sozialarbeiterische Hintergrund ist uns sehr wichtig. Wir müssen erkennen, welche Fähigkeiten der Mensch hat, zu welcher Stelle er passt oder wo er überfordert wäre“, erläutert Edith Becker, Geschäftsführerin der AWO.

Das Coaching auf Augenhöhe wissen die Kunden sehr zu schätzen. „Allein hätte ich das nie auf die Reihe gekriegt“, ist Andreas Czerwinski überzeugt. Der 38-Jährige hatte keine abgeschlossene Berufsausbildung und sich deshalb lange Zeit mit Hilfsarbeiterjobs über Wasser gehalten. Zwei Jahre war er arbeitslos, dann besuchte er auf Empfehlung seines Arbeitsvermittlers einen Altenpflegehelferkurs und fand mit Unterstützung von Martina Sohmen-Kött, Niederlassungsleiterin des bz in Fulda, über eine Zeitarbeitsfirma einen ersten Einstieg in den Beruf. Vor wenigen Tagen hat Czerwinski einen festen Arbeitsvertrag bei einer Fuldaer Altenpflegeeinrichtung bekommen.

Von einem Arbeitsvertrag träumt auch Irene Voht, die vor 13 Jahren aus Kasachstan nach Fulda kam. In ihrer Heimat hatte sie den Beruf der Arzthelferin erlernt und ausgeübt. Ihre Berufsausbildung wurde in Deutschland jedoch nicht anerkannt und so absolvierte die heute 49-Jährige eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Anschließend arbeitete sie vier Jahre in der Reinigungsbranche bis die Gesundheit ihr einen Strich durch die Rechnung machte. „Jetzt bewerbe ich mich auf alles, was passen könnte“, sagt Voht, „und bin froh und dankbar für die Unterstützung, die ich hier bekomme.“

Dass das Ermutigen und Begleiten der Kunden wesentliche Bestandteile der Maßnahme sind, heben beide Träger gleichermaßen hervor. „Wir nehmen uns viel Zeit, gehen in einem Vier-Augen-Gespräch in die Tiefe und versuchen, die oft ausgeprägte Unsicherheit zu nehmen“, sagt Berater Reinhold Stier. AWO-Projektleiter Bernd Köhler ergänzt: „Wir bauen auf den individuellen Stärken auf und geben unseren Ansprechpartnern beim Amt Rückmeldung, ob gegebenenfalls flankierende Maßnahmen wie Schuldnerberatung oder psychosoziale Beratung sinnvoll wären.“

Seit dem 1. Juli 2010 läuft die „Unterstütze Jobsuche mit Bewerberservice“. Bis heute haben rund 500 Personen die Maßnahme bzw. einzelne Module in Anspruch genommen. Davon haben fast 200 ALG II-Bezieher während oder im Anschluss an die Maßnahme eine Arbeitsstelle gefunden. „Das ist eine Erfolgsbilanz, die es in kaum einer Maßnahmeart gibt“, freut sich Ulrich Nesemann, Sachgebietsleiter Aktivierende Hilfen beim Amt für Arbeit und Soziales. Die derzeit günstigen Arbeitsmarktbedingungen seien, so Nesemann, zwar grundsätzlich förderlich, die gute Quote führe er aber in erster Linie auf den neuen, personenbezogenen Ansatz zurück. Und so verwundert es nicht, dass die Maßnahme nicht wie ursprünglich ausgeschrieben zum 30. Juni 2011 endete, sondern um ein weiteres Jahr verlängert wurde.

Categories:

Alle Nachrichten, Bildung & Jobsuche, Topthema