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„Fotos, die zum Nachdenken anregen“ – Fotoausstellung der Deutschen PalliativStiftung im Stadtschloss

Fulda. Dort, wo sonst Mitarbeiter der Fuldaer Stadtverwaltung unterwegs sind und Touristen vorbeilaufen, die auf dem Weg zu den historischen Räumen des Stadtschlosses sind, ist nun bis 29. Oktober eine ungewöhnliche Ausstellung der Deutschen PalliativStiftung zu sehen. Sie zeigt Fotomotive zum Thema „Sterben“ – und sie regt zur kontroverser Debatte an.

Das zeigte sich schon bei der gut besuchten Vernissage am Donnerstagabend. „Wir haben schon häufiger einige besondere Themen in der Galerie vor den Spiegelsälen gezeigt – wie zuletzt ,Kunst im Knast‘ , aber eine Fotoausstellung, die sich mit dem Thema Sterben beschäftigt, hatten wir noch nie“, sagte Oberbürgermeister Gerhard Möller bei seiner nachdenklichen Ansprache. Den Hausherrn des Stadtschlosses ließen die ausdrucksstarken Fotografien aus einem bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerb mit den beiden Kategorien „Stillleben“ und „Menschen“ nicht unberührt.

„Es sind Bilder, die einen in ein Thema reinziehen, das man gerne verdrängt. Sie regen zum Nachdenken an, auch über die eigene Sterblichkeit, und sie werden sicherlich zu kontroversen Begegnungen und Reaktionen führen“, so Möller.  Der Oberbürgermeister wünschte der in Fulda ansässigen Deutschen PalliativStiftung (DPS) weitere Aufmerksamkeit durch die Ausstellung und eine gute Verbreitung des PalliativKalenders 2012, der an diesem Abend als ein Ergebnis des Fotowettbewerbs präsentiert wurde.

Thomas Sitte, Vorstandsvorsitzende der DPS, zeigte sich sehr überrascht über die große Resonanz, auf die die Vernissage gestoßen war, – und war gleichzeitig zur „Improvisation“ gezwungen: Denn Jurymitglied und Fotograf Arnulf Müller, der die Laudatio für die beiden Preisträger halten und die Bildauswahl der Jury erläutern wollte, konnte  wegen eines verspäteten Urlaubsfliegers nicht anwesend sein. Sitte nahm diese Herausforderung sportlich – und verglich die Situation mit der  Krisenbewältigung in der Palliativversorgung, wo man auch ständig mit neuen Unwägbarkeiten und Überraschungen rechnen müsse. „In der täglichen Arbeit von Palliativteams passiert in der Regel immer etwas Unerwartetes, und man muss immer spontanen reagieren. Daher werden wir das auch heute Abend meistern, dass neben Arnulf Müller auch seine beiden Jurykollegen Dr. Ingrid Chiari sowie Jürgen Goldbach wegen Krankheit nicht kommen können“, sagte Sitte.

Er erinnerte sich an die Sitzung der Jury, bei der er immer mal wieder neugierig gelauscht und aussortierte Bilder weggeräumt habe. „Die Jurymitglieder haben zunächst alle Fotos aussortiert – auch hervorragend aufgenommene – , die eine zu eindeutige Symbolik wie Kreuze oder Sonnenuntergänge zeigten. Denn die Absicht der Jury war es, Fotos mit ungewöhnlichen und  vieldeutig interpretierbaren Motiven zu zeigen“, erläuterte Sitte und fügte hinzu: „Das Ergebnis ist: Es sind sehr schöne Bilder darunter, aber auch irritierende Aufnahmen sowie Fotos, die sich dem Betrachter erst auf den zweiten oder sogar erst dritten Blick erschließen.“

In einer kurzen Notiz las der Vorstandsvorsitzende dann auch die Begründung der Jury vor, warum sie sich für das Gewinnerbild aus der Kategorie „Menschen“  entschieden hatte: „Das Bild mit dem Kuss war einfach das Bild, das am meisten berührt. Einerseits tut es weh, weil die Situation schlagartig klar wird: Ein recht junger Mann verliert seine Frau vor der Zeit; vielleicht muss auch eine Frau Abschied von ihrer ganzen Familie nehmen. Das Gesicht der jungen Frau ist von einer schweren Krankheit gezeichnet.  Auf der anderen Seite strahlt das Bild etwas Versöhnliches aus: Der Kuss als Symbol der bedingungslosen Zuwendung über alles Faktische hinweg. Hier geht es nicht nur um Pflege, sondern um echte Zuwendung. Und in allem strahlt das Foto eine tiefe Gelassenheit aus. Ein unspektakuläres Foto, das keinen kaltlassen kann.“

Der Fotograf des Bildes, Palliativmediziner Johannes Wüller aus Aachen, war eigens zur Preisverleihung nach Fulda gereist und nahm den Gewinn in Höhe von 500 Euro entgegen. Er wird ihn gemäß der Ausschreibung für eine Hospiz- oder Palliativeinrichtung seiner Wahl einsetzen. Thomas Sitte stellte ihm die Frage, die wohl vielen Besuchern unter den Nägeln brannte: „Warum haben Sie in diesem Moment als betreuender Arzt die Kamera auf die Patientin gehalten und den Auslöser gedrückt?“

Wüller erläuterte: „Mit unserem Palliativteam in Aachen versorgen wir im Schnitt 500 Patienten im Jahr. Dabei behandeln wir nicht immer nur die Krankheit und deren Symptome, sondern kommen mit den Menschen und ihren Familien in Kontakt. Wir erleben daher auch sehr schöne Momente.“  Und da er auch privat sehr viel fotografiere, habe er vor ein paar Jahren „allen Mut zusammengenommen“ und gefragt, ob er  Bilder machen dürfe. „Und mittlerweile habe ich festgestellt, dass diese Fotos auch etwas sehr Bereicherndes für mich selbst sind“, erklärte Wüller und ergänzte: „In diesem Fall war es auch so, dass wir als Palliativteam in eine sehr herzliche Umgebung kamen und die große Liebe und Zuneigung des jungen Paars ungewöhnlich deutlich spüren und miterleben durften.“

Die Gewinnerin aus der Kategorie „Stillleben“, Irmgard Schäfer, war extra aus Mainz gekommen, um ihren Scheck entgegenzunehmen. Sie hätte ihr Bild, eine mit schroffem Raureif besetzte Klinke eines schmiedeeisernen Tors, fast nicht eingeschickt, erzählte sie. „Ich dachte, die Zacken stehen für zu viel Schmerz, und dabei soll die Palliativversorgung doch gerade den Schmerz lindern. Aber dann haben mir Bekannte geraten, es doch zu tun, denn die Palliativmedizin kann ja wie die Sonne die Schmerzzacken zum Schmelzen bringen.“

Die Ausstellung ist noch bis 29. Oktober täglich von 10 bis 17 Uhr – außer am Freitag nur von 14 bis 17 Uhr – vor den Spiegelsälen im Stadtschloss Fulda zu sehen.

INFO:

Der Deutsche PalliativKalender ist für 29 Euro bei der Deutschen PalliativStiftung, Am Bahnhof 2, 36037 Fulda, Telefon (0661)48049797 erhältlich.

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