Logo

35-Jähriger Lahrbacher misst kulturellen Anspruch auch am Spaßwert

Tann-Lahrbach. In Anlehnung an den Kantor, der in der Leipziger Thomaskirche traditionell für die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes zuständig ist, hat der Lahrbacher Musiker Thomas Nüdling von einem Bekannten den Spitznamen „Thomaskantor von Tann“ erhalten. Denn oftmals bereichert der 35-Jährige Gottesdienste durch sein Orgelspiel oder verleitet Passanten, die an der Tanner Stadtkirche vorbeigehen, zum Lauschen, wenn er auf der Orgel übt. Waren es zu Zeiten, als er an der Musikhochschule Detmold und der Uni Paderborn studierte, täglich sechs bis acht Stunden, so versucht der Lehrer für Musik und katholische Religion seit seiner Berufstätigkeit am Hünfelder Wigbertschulegymnasium wenigstens ein bis zwei Stunden Zeit am Tag für das Orgelspiel zu finden.

Gerade im Advent wird dies wohl wieder schwierig werden, denn „für Musiker gibt es keine aktivere Zeit als die vor Weihnachten“, sagt Thomas Nüdling. Der Studienrat leitet den Schulchor und das „Hünfelder Kammerorchester an der Wigbertschule“. Mit beiden führt er am 18. und 19. Dezember in Tann und Hünfeld das Weihnachtsoratorium des französischen Komponisten Camille Saint-Saëns auf.

Obgleich ihm dessen romantische Kompositionen sehr gut gefallen, schwärmt er noch mehr für Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy, Johannes Brahms und Maurice Duruflé – sicherlich ein außergewöhnlicher Musikgeschmack für jemanden, in dessen Generation Techno modern wurde und die Schlager ein Revival erlebten. Doch für ihn sind die klassischen Künstler nicht nur „Stars“, sondern auch Vorbilder: So hat er selbst bereits zahlreiche Orgelstücke, Sätze zu Kirchenliedern, Chorlieder, sechs Messen, drei Musicals und viele weitere Werke komponiert. Für seine Staatsexamens- und später seine Diplomarbeit forschte er über Johann Michael Bach und verhalf damit dem sogenannten Tanner Bach damit in Expertenkreisen zu neuer Bekanntheit.

Schon als Achtjähriger wünschte sich Thomas Nüdling nach einer tapfer überstandenen Blinddarmoperation von seinen Eltern nicht etwa einen Spielecomputer oder andere bei Gleichaltrigen beliebte Dinge – sondern Klavierunterricht. Thomas Nüdling schwimmt nicht mit dem Strom, aber genauso wenig macht er es sich in einer einmal gefundenen „geistig-kulturellen Heimat“ bequem. Als federführender Organisator des Tanner Musiksommers ist es ihm gelungen, die Reihe durch Auflockerung der „Hochkultur“ mit Populärem für ein breiteres Publikum interessant zu machen. Außerdem bedeutet das Mitwirken an dieser Veranstaltung der evangelischen Kirchengemeinde Tann für ihn als Katholiken gelebte Ökumene. Ein wenig wirkt er wie jemand, der zwischen verschiedenen Kulturen wandert und dabei in sich selbst ruht.

Diese Gelassenheit hat sich schon als nützliche Eigenschaft erwiesen: Nüdling erinnert sich schmunzelnd an seine erste Abiturientenverabschiedung 2005 als Lehrer, die gerade in die Zeit des Musiksommers fiel. „Als ich danach mein Handy einschaltete, sah ich, dass 17 Personen versucht hatten, mich zu erreichen.“ Denn der Musiker, der am Abend in Tann auftreten sollte, war kurzfristig erkrankt, und es war zu spät, das Konzert abzusagen. „Erst dachte ich, die Welt geht unter.“ Doch kaum zu Hause, stellte Thomas Nüdling ein eigenes Programm zusammen und konnte abends den Kollegen vertreten.

Das Komponieren, „die Musik von innen nach außen“, wie er es formuliert, wirken auf ihn entspannend, genauso wie Spaziergänge in der Natur. Zudem liest er sehr gerne, „alles von Fachliteratur bis hin zu kitschigen Romanen“, und mag Kino. Außer Klavier und seit seinem 13. Lebensjahr Orgel beherrscht er Klarinette, Gitarre und Blockflöte. Doch wenn er Musik konsumiert, dann „nicht nur solche, wie ich sie selbst mache, sondern auch Pop und Rock, Jazz und Schlager“. Als Lehrer möchte er den Kindern vor allem zeigen, „wie viel Freude Musik bereiten kannt“. Da misst Thomas Nüdling den kulturellen Anspruch auch mal am Spaßwert.

Categories:

Alle Nachrichten, Kultur & Unterhaltung