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363 Studierende an der Schule für Erwachsene Osthessen – Sprungbrett in eine selbstbestimmte Zukunft

Petersberg/Fulda. Wenn die Weihnachtsferien beginnen, freuen sich nicht nur mehr als 15 000 Jungen und Mädchen der Pflichtschulen in der Trägerschaft des Landkreises über die freien Tage. Auch 363 Männer und Frauen, die derzeit die Schule für Erwachsene Osthessen (SfE OH) besuchen, können dann für dreieinhalb Wochen durchatmen. Gleichzeitig hat die Anmeldefrist für das neue Semester begonnen. Die SfE in gemeinsamer Trägerschaft der Landkreise Fulda und Hersfeld-Rotenburg ist 2006 aus einer Kooperation der Volkshochschule des Landkreises Fulda und der Abendschule für Erwachsene in Bad Hersfeld/Kassel mit dem Ziel hervorgegangen, Erwachsenen einen Haupt- oder Realschulabschluss oder das (Fach-)Abitur zu ermöglichen. Da es sich um eine eigenständige allgemeinbildende Schule handelt, werden die Lehrkräfte vom Land bezahlt und die Studierenden müssen keine Gebühren entrichten.

260 Lernende zählt der Standort am Fuldaer Eduard-Stieler-Campus, rund 100 der Standort in Bad Hersfeld. Anders als die Hessenkollegs ist die SfE eine klassische Abendschule für Berufstätige. Sie umfasst die Abendhauptschule, Abendrealschule und das Abendgymnasium. Die Hälfte der Studierenden besucht nach Auskunft des Schulleiters Thomas Bös den Realschulzweig und je ein Viertel arbeitet auf den Hauptschulabschluss beziehungsweise das Abitur hin.

Schulsprecherin Julia Becker und ihr Vertreter Emrah Isik gehören zu den Gymnasiasten. Während die junge Frau mit mittlerer Reife und abgeschlossener Berufsausbildung an die Schule kam, hat der 25-Jährige auch seinen Realschulabschluss an der Abendschule absolviert. „In den vergangenen vier Jahren habe ich zusehen dürfen, wie die Schule gewachsen ist“, erzählt der 25-Jährige Türke kurdischer Herkunft. Die Zahl der Studierenden hat sich seit Beginn beinahe vervierfacht und die Ausstattung auf dem Eduard-Stieler-Campus entspricht modernen Standards. Die ebenfalls dort befindliche Volkshochschule des Landkreises bietet Deutsch-Förderkurse oder Vorbereitungskurse für die Aufnahmeprüfung an der SfE an.

Doch nicht nur die Schule ist mit den Jahren gewachsen, auch Emrah Isiks Selbstvertrauen: „Die Lehrer haben mich aufgebaut und, auch in schwierigen Phasen, zum Weitermachen angespornt.“ Kam er an die Schule mit dem Ziel, seinen Realschulabschluss zu erlangen, so hat er mittlerweile Abitur und Studium anvisiert. Als Mitglied der Schülervertretung möchte er vor allem als Vermittler für seine Landsmänner zur Verfügung stehen, „weil ich deren Probleme kenne“. Für die schulische Ausbildung hat Emrah Isik sogar sein Hobby Fußball aufgegeben. Studierende der Abendhauptschule, Abendrealschule und des Abendgymnasiums ab dem 5. Semester haben Anspruch auf Schülerbafög, da die 20 bis 26 Wochenstunden als Vollzeitunterricht zählen.

Von 17.30 Uhr bis teilweise 22 Uhr erteilen die 30 Lehrkräfte Unterricht. Einer von ihnen ist mit einer halben Stelle der Mathematiklehrer Helmut Schönberger. „Seit zweieinhalb Jahren bieten wir Schulsozialarbeit an. Seitdem hat sich unsere Absolventenquote stark erhöht“, sagt der Diplom-Pädagoge. „Zu uns kommen Menschen, die wegen vorangegangener negativer Schulerfahrungen oder wegen ihrer Lebensumstände ein Sprungbrett brauchen.“ So hätten in Bad Hersfeld jüngst in einer Klasse acht Alleinerziehende ihren Hauptschulabschluss gemacht.

Julia Becker drückt als Erwachsene die Schulbank, weil sie „ihren Beruf als MTA auf Dauer nicht befriedigend fand“. Vor allem nachdem sie ein Jahr als Rucksackreisende in der ganzen Welt unterwegs gewesen war, wurde ihr bewusst, dass Geldverdienen im Beruf nicht das Wichtigste sei: „Für die Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftliche Anerkennung halte ich Bildung für wesentlicher.“ Die 27-Jährige arbeitet neben der Schule halbtags. Ihr Amt als Schulsprecherin gefällt ihr besonders, weil sie nicht nur Ausführende ist, sondern auch „Dinge bewegen kann“. Beispielsweise bietet die SfE auf Anregung der Schülervertretung neuerdings Nachhilfeunterricht an.

Als hessenweit einzige Schule gestaltet sie neben dem Präsenzunterricht die Hälfte des Gymnasial-Unterrichts ab dem 5. Semester als Online-Unterricht. „Das ist vor allem für einen Flächenlandkreis, wie wir es sind, hilfreich, um Fahrzeiten zu sparen“, sagt Thomas Bös. Trotz guter Erfahrungen damit hält der Schulleiter für eine positive Lernatmosphäre persönliche Kontakte für unabdingbar, genauso wie konstante Lerngruppen und eine Kultur der Offenheit, Achtung und Anerkennung. Offenbar gelingt das Miteinander, denn Emrah Isiks Ansporn für Mitstudierende lautet: „Die anstrengende Zeit geht schnell vorüber. Vor allem, wenn man sich wie hier wohlfühlt.“

Info

Derzeit findet das Anmeldeverfahren für das im Februar beginnende neue Semester statt. Ausführliche Informationen und Anmeldeformulare unter www.sfe-osthessen.eu sowie telefonisch über die vhs des Landkreises Fulda, Telefon 0661/25199-0, das Büro im Eduard-Stieler-Campus, Telefon 0661/25199-52, und das Sekretariat in Bad Hersfeld, Telefon 06621/76282.

Foto: Limpert

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