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Ehrenamtliche brauchen Anerkennung

Gersfeld. Gemeinsam gingen bei einer Tagung in Gersfeld die Hessische Verwaltungsstelle des Biosphärenreservates Rhön und der Rhönklub der Frage nach, ob das Ehrenamt überhaupt noch eine Zukunft hat. Allein im hessischen Teil des Biosphärenreservates Rhön sind rund 300 Ehrenamtliche in verschiedenen Arbeitsgruppen engagiert – eine Unterstützung, auf die die Verwaltungsstelle nicht mehr verzichten möchte und auch nicht verzichten kann.

Mediendienst für das Biosphärenreservat Rhön / Carsten Kallenbach Mediendienst für das Biosphärenreservat Rhön / Carsten Kallenbach

Wo bleibt der Nachwuchs?

„Als wir seitens des Vereins Natur- und Lebensraum Rhön 2007 das neue Regionale Entwicklungskonzept für den hessischen Teil des Biosphärenreservates Rhön ausgearbeitet haben, war uns klar, dass sich der demografische Wandel bereits auswirkt und auch auf das Ehrenamt Einfluss nimmt“, sagte Martin Kremer, Sachgebietsleiter Biosphärenreservat Rhön beim Landkreis Fulda und Geschäftsführer des Vereins Natur- und Lebensraum Rhön. Die Strukturen in den Vereinen der Region würden immer älter, und es sei zunehmend schwierig, Vorstandsposten zu besetzen – beispielsweise im Rhönklub. „Die Frage ist, wo der Nachwuchs bleibt, der jetzt eigentlich in die Speichen greifen müsste, um die Arbeit in den einzelnen Vereinen und Institutionen erfolgreich weiter zu führen“, meinte Kremer. In England sei das Ehrenamt beispielsweise staatlich organisiert. Hier gebe es sogar hauptamtliche Freiwilligenkoordinatoren. „Das ist ein ganz anderes Modell als bei uns in Deutschland“, gab der Sachgebietsleiter zu bedenken.

„Wir haben in unserer Stadt 102 Vereine“, sagte die Bürgermeisterin von Gersfeld, Margit Trittin. Für sie sei es daher schon ein Thema, wie das ehrenamtliche Engagement für die Zukunft gesichert werden kann. Im Ortsteil Dalherda habe beispielsweise das Schwimmbad vor der Schließung gestanden. Nur ein ehrenamtlicher Förderverein habe es retten können. Genauso verhalte es sich mit der Rettung der Orgel – auch hier gebe es einen Förderverein, der sich darum kümmert. „Das Thema ist sehr brisant für unsere Gesellschaft, denn wie sollen die vielen Aufgaben noch geleistet werden, wenn wir keinen Nachwuchs mehr finden? Wir haben aber auf der anderen Seite nicht die Möglichkeiten, das ehrenamtliche Engagement zu bezahlen. Deshalb sind für mich die Wahrnehmung und die Würdigung des Ehrenamts ganz wichtig“, hob die Bürgermeisterin hervor.

40% engagieren sich

Mehr als 40 Prozent aller Deutschen engagieren sich ehrenamtlich, hat eine Umfrage des Forschungsinstituts infratest im Auftrag der Akademie für Ehrenamtlichkeit in Berlin ergeben. Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern gehören dabei zu den führenden Ländern. Thüringen liegt im Mittelfeld. Am stärksten, sagte Sarah Hoffmann von der genannten Akademie, ist das Engagement im Sport. Hier gebe es viele Übungsleiter, Trainer und andere Posten zu besetzen.

Das meiste ehrenamtliche Engagement zeigen Männer und Frauen zwischen 40 und 50 Jahren. Einen Zuwachs gibt es jedoch bei den 60- bis 70-Jährigen. „Das hat einfach mit dem demografischen Wandel zu tun“, begründete Hoffmann. Für Jugendliche sei es zunehmend schwer, sich zu engagieren. Der Druck in der Schule und im Studium steige immer mehr an. Im Gegensatz dazu habe sich herausgestellt, dass ehrenamtliches Engagement gerade in der Kindheit und Jugend gelernt wird. „Wer von klein auf gelernt hat, sich für eine Sache zu engagieren, der bleibt meist bis ins Alter dabei. Deshalb ist es wichtig, diesen Gedanken in der Kindheit zu fördern. Diejenigen, die es nicht gelernt haben, sich ehrenamtlich einzubringen, brauchen geschulte Vermittler“, sagte Hoffmann.

Spaß steht an erster Stelle

Die heutigen ehrenamtlich Engagierten erwarten in erster Linie, dass ihre Tätigkeit Spaß macht. „Deshalb muss sich jeder, der mit Ehrenamtlichen zu tun hat, darüber klar sein, dass eine gute Stimmung, kein Stress und Freude an der Tätigkeit die Schlüssel zum Erfolg sind“, sagte Hoffmann. Heute könne man auch schon von so genannten „Neuen Freiwilligen“ sprechen. Hierbei gehe der Trend eher zur konkreten Beteiligung an Projekten, wobei die Arbeit von vornherein als zeitlich begrenzt betrachtet wird. Spaß und Freude sind die bestimmenden Erwartungen. Außerdem besteht, vor allem bei Jugendlichen, der Wunsch nach Mitbestimmung.

Hoffmann empfiehlt, den Ehrenamtlichen bereits beim ersten Kontaktgespräch „reinen Wein“ einzuschenken, besonders wenn es um Fähigkeiten und Kenntnisse für die jeweilige Stelle geht. Nach Möglichkeit müsse Qualifizierung und Versicherungsschutz angeboten werden. Als erfolgreich haben sich regelrechte Engagementangebote, ähnlich Stellenausschreibungen, erwiesen. Bei Europarc, der Dachorganisation der Biosphärenreservate, Naturparke und Nationalparke, sei das beispielsweise gängige Praxis. Der Bewerber wisse so von vornherein, welche Erwartungen an ihn geknüpft werden. Beim ersten Gespräch müsse außerdem ein „Nein“ auf beiden Seiten möglich sein, meinte Hoffmann. Gleichzeitig warb sie für eine „Anerkennungskultur“ beim Ehrenamt – beispielsweise in Form von regelmäßigen Gesprächen, Stammtischen oder Fortbildungsveranstaltungen. „Die Leute wollen ihre Tätigkeit gewürdigt sehen – immer wieder ein Dankeschön hilft da schon weiter“, sagte Hoffmann.

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