Logo

Ein Achsbruch war ihr Glück

DSC_0865Der Mensch braucht ein Plätzchen und wär´s noch so klein, von dem er kann sagen, sieh das ist mein, da leb´ich, da lieb ich. Da ist meine Heimat. Da bin ich Zuhaus.“ Früher schmückte dieses Zitat aus feinen rot gestickten Buchstaben auf weißem Tuch vermutlich die Küche einer Leitmeritzer Wohnung. Heute wirkt der sentimentale Spruch eher wie eine stille Mahnung an den Verlust der geliebten Heimat als Folge des Kriegs und der schrecklichen Nazi-Tyrannei. Wie viele andere interessante Ausstellungsstücke ist die dekorative Stickerei Teil des Leitmeritzer Heimatmuseums und in der Fuldaer Schlossstraße zu sehen.

Für die Nachwelt bewahren

Liebevoll sorgt sich Dorothea Axt, selbst Nachfahrin von Leitmeritzern, um den Nachlass der Deutschen aus der nordböhmischen Barockstadt, der im Museum samt angeschlossenem Archiv für nachfolgende Generationen sorgfältig aufbewahrt wird. Dazu gehört auch, ihren Gästen aus dem Stadtschloss Kaffee und Kuchen zu kredenzen. Schließlich soll sich Fuldas Kulturdezernent Gerhard Möller mit seinem Team, darunter Kulturamtsleiter Dr. Thomas Heiler, wohl fühlen beim Informationstreffen in den vereinseigenen Räumen.

Museum und Archiv

1975 hatte die Stadt Fulda zunächst in der Habsburger Gasse Räumlichkeiten für ein Heimatarchiv zur Verfügung gestellt. Seit 1980 ist die stattliche Sammlung in der Schlossstraße zu Hause. Ursprünglich verteilte sich die vom Verein genutzte Fläche auf zwei Ebenen innerhalb des historischen Gebäudes in der Schlossstraße. Erfreulicherweise konnten beide Bereich – Museum und Archiv – später durch frei gewordene Räume im Erdgeschoss untergebracht werden. Damit erspart sich das Helferteam eine Menge unnötiger Lauferei. Dorothea Axt und Rudolf Bauer,  stellvertretender Vorsitzender des Heimatkreisverbands Leitmeritz, sind (zu Recht!) stolz auf die vorhandenen Bestände der rund 27.000 Einwohner zählenden Barock- und Bischofsstadt, die sich malerisch entlang der Elbe erstreckt. Heute umfasst das Heimatarchiv neben einer Bibliothek, Ortschroniken und andere ortsbezogene Dokumente, eine Biographien-Sammlung, personenbezogene Dokumente, eine Notensammlung (Komponisten aus dem Heimatkreis) sowie Ton- und schriftliche Dokumente zur heimischen Mundart. Außerdem enthalten knapp 280 Ordner Unterlagen über die einzelnen Gemeinden des Heimatkreises. In den drei Räumen des Museums sind Haushaltsgegenstände, Urkunden, Kirchenfahnen oder auch detailgetreue Nachbauten von Kirchen, Stadtansichten (Gross Tschernosek) oder Bauernhäusern, wie das der Familie Gaube, zu bewundern.

Letzter Transport

Warum gerade Fulda neue Heimat für die Vertriebenen geworden ist, erläutert Bauer mit einem Hinweis auf den letzten großen Transsport von rund 1.201 Flüchtlingen, der im September 1946 aus dem Kreis und der Stadt Leitmeritz [tschechisch: Litoměřice] nach Fulda gekommen war. Für vier vorausgegangene waren die Städte Schlüchtern und Lauterbach das Ziel. Weshalb gerade der letzte Transport, dem auch Dorothea Axts Vater angehört hatte, ausgerechnet in die Domstadt ging, ist bis heute unklar. Bauers Vater indes hatte seinem Sohn berichtet, der Zug habe wegen eines Achsbruchs in Fulda Halt machen müssen, statt weiter an den Bodensee zu fahren. Wie dem auch sei: Vorzugsweise wurden die deutschen Flüchtlinge in Landgemeinden statt in die ausgebombten Städte transportiert, um ihnen zumindest vorübergehend hier ein neues Zuhause zu bieten, ergänzt Kulturamtsleiter Heiler.

Kristallisationspunkt

Fulda entwickelte sich für die Leitermeritzer, auch wenn sie in alle Himmelsrichtungen verstreut wurden, mehr und mehr zum Kristallisationspunkt. Dem ersten Heimattreffen im Jahr 1950 folgten bis heute regelmäßige weitere Zusammenkünfte unter anderem mit dem Kolpinghaus als zentralem Veranstaltungsort. 1961 übernahm die Stadt Fulda schließlich die Patenschaft für die Vertriebenen aus der Stadt Leitmeritz, 1965 der Landkreis Fulda die Patenschaft über die ehemaligen deutschen Bewohner des Kreises Leitmeritz. Seit 26. August 2001 besteht auch eine Partnerschaft zwischen Fulda und Litoměřice, die von beiden Seiten mit viel Engagement mit Leben erfüllt wird. 
“Ich freue mich sehr, dass das Interesse am gegenseitigen Austausch bei allen Partnern gleichermaßen groß ist, sowohl bei den Leitmeritzern selbst als auch beim Heimatkreisverband oder dem Freundeskreis Fulda-Leitmeritz“, betonte Möller. Lob gab es auch für das Leitungsteam des Museums und des Archivs. Beide und nicht zuletzt der journalisitsch ambitioniert gemachte Leitmeritzer Heimatbote als schriftliches Bindeglied tragen dazu bei, ein wichtiges historisches Kapitel lebendig zu erhalten und damit auch die Erinnerung an jene Leitermeritzer, die zur erfolgreichen Entwicklung der Stadt über Jahrhunderte beigetragen haben.

Zum Bild: Beim Museumsrundgang (von links): Oberbürgermeister Gerhard Möller, Rudolf Bauer sowie Dorothea Axt. / Manchmal mit nichts mehr als einem Handkarren und Koffer kamen die vertriebenen Leitmeritzer in Fulda an.

Categories:

Alle Nachrichten, Kultur & Unterhaltung