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Spaziergang durch eine Welt aus Garn – Klöpplerinnen stellen in der Kunststation Kleinsassen aus

Kleinsassen. „Wo ist die Grenze zwischen Kunst und Kunsthandwerk?“, fragte Marianne Blum von der Kunststation Kleinsassen provokativ bei der Eröffnung der Ausstellung „Klöppelspitzen“. Dass diese Frage so leicht nicht zu beantworten ist, belegt die aktuelle Schau mit Objekten von 9 Klöpplerinnen aus Deutschland, der Schweiz und Belgien. Die Frauen haben unter der Anleitung ihrer Dozentin, Ruth Bühlmann, ihr ganzes handwerkliches Können zum Einsatz gebracht, um Werke zu schaffen, die sich einerseits die höchsten Ansprüche der traditionsreichen Handarbeit erfüllen, andererseits komplett abweichen von den traditionellen Formvorstellungen. Sie ordnen sich keiner Nützlichkeit mehr unter.

Diese Spitze ziert kein Tischchen und keinen Kragen mehr, diese Objekte stehen für sich und bilden doch gleichzeitig auch ein Ensemble. Ein Ensemble, das das Thema Wald umsetzt. Jede einzelne Arbeit kann dabei als individuell gestalteter Baum mit Astwerk und Unterholz gesehen werden, alle Arbeiten gemeinsam als Installation. Der Eindruck von Natur und organischer Form verstärkt sich noch durch die Tatsache, dass die Objekte frei in den Raum gehängt wurden. Sie bewegen sich leicht, wenn ein Besucher vorüber geht, und ihre Schatten erinnern an das Lichtspiel, das man an einem sonnigen Tag bei einem Spaziergang unter dem Blätterdach des Waldes erleben kann.

Gleichzeitig sind die Werke aber auch abstrakte Objekte durch den Einsatz des weißen Garns und die Stilisierung und Vereinfachung der Formen. So betrachtet ist die Klöppel-Ausstellung eine ideale Ergänzung zu der großen Landschaftsausstellung in den anderen 3 Hallen der Kunststation. Sie fügt der Dekonstruktion der Landschaft, wie sie die Offenbacher Professoren verstehen, eine weitere Facette hinzu und ist doch auch unabhängig davon zu betrachten.

Um dieses Niveau zu erreichen waren bei der Umsetzung nicht nur gestalterische Aufgaben zu bewältigen, auch technisch hatten die Klöpplerinnen einige Hausforderungen zu meistern. So saß jede der Frauen ca. 150 Stunden an ihrem Objekt, für das sie ca. 250 Stck. Klöppel oder 125 Klöppelpaare einsetzte, wie die Organisatorin der Ausstellung, Marianne Geißendörfer vom Deutschen Klöppelverband erklärte. Eine enorme Anzahl. Wer da nicht geübt ist, kommt rasch durcheinander.

Dass für die Absprachen, Planungen und Vorbereitungen nur ein verlängertes Wochenende zur Verfügung stand, wie Edda Ossenbühl vom Deutschen Klöppelverband erläuterte, erscheint unter diesen Bedingungen geradezu unglaublich, zeigt aber auch, dass hier keine Anfängerinnen am Werk waren. Auf dem 28. Klöppelspitzen-Kongress 2010 in Bad Hindelang zum Thema „Spitze im Raum“ zeigten sie erstmals ihre Ergebnisse.

Jetzt, in der Kunststation, vor den farbigen Wänden der Ausstellungshalle kommen die Spitzenarbeiten, allerdings ganz anders zur Geltung. „Ich war erst skeptisch, als ich das kräftige Blau und Ocker in dem Raum gesehen habe,“ gibt Marianne Geißendörfer zu, „aber jetzt bin ich begeistert.“ Wenn diese Schau ähnlich viele Menschen anzieht wie die erste Spitzen-Ausstellung 2008, dann werden sich viele Besucher diese Ansicht teilen.

Die beteiligten Klöpplerinnen: Inga Bens, Daniela Berger, Yolande Beeckman, Gerlinde Baumgarte, Marianne Geißendörfer, Christine Meier, Esther Wanzenried, Erdmute Wesenberg, Eva-Maria Winkler. Die Ausstellung „Klöppelspitzen – Wald“ dauert bis zum 1. Mai 2011. (mb)

KUNSTSTATION KLEINSASSEN

Öffnungszeiten: Di – So, 13 – 18 Uhr
Anschrift: An der Milseburg 2, 36145 Hofbieber-Kleinsassen, Tel.: 06657-8002, www.kleinsassen.de

Fotos(5): Marianne Blum

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