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Fuldaer Abend der Hochschule: Liegt die Zukunft des Sozialstaates in Europa?

Fulda. Deutsche Firmen verlagern ihre Produktion ins osteuropäische Ausland; mit der Osterweiterung der Europäischen Union werden oft mehr Bedenken als Hoffnungen verbunden; es entsteht Angst vor der Zuwanderung billiger Arbeitskräfte. Mit Blick auf solche Entwicklungen auf europäischer Ebene oder auch die Diskussion um das vielleicht nahende Ende der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland, betreffen solche Überlegungen viele Menschen ganz persönlich.

„Wo ist das soziale Europa?“, fragte deshalb auch Prof. Eichenhofer zu Beginn seines Gastvortrages an der Hochschule Fulda in der letzten Woche. Er war im Rahmen der Vortragsreihe „Fuldaer Abende“, angereist, die vom Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften organisiert wird.

In der Folge legte der in Jena tätige Eichenhofer, der auch Vorsitzender der deutschen Sektion des „European Institute for Social Security“ mit viel Enthusiasmus dar, warum in seinen Augen nur ein Europa mit sozialpolitischen Zuständigkeiten zukunftsfähig ist.

„Europe for all, or nothing at all“ – In der Europäischen Gemeinschaft sei von Anfang an diskutiert worden, wie die europäische Integration aussehen sollte: „Soll Sozialpolitik eine Rolle spielen?“ Nach zaghafter Integration sozialpolitischer Aspekte in den Europäischen Wirtschaftsvertrag von 1955 – die Mitgliedstaaten sollten erreichte Standards in der Gleichstellungspolitik beibehalten und keine Feiertage abschaffen – habe die Errichtung des Binnenmarktes Mitte der 90er Jahre Europa „einen neuen Push“ gegeben, so Eichenhofer.

Der neue „soziale Dialog“ habe mit Fokus auf Arbeitsschutz sozialpolitische Aspekte in den Mittelpunkt gerückt. In der Darstellung der erreichten europäischen Standards in Sachen sozialer Sicherung – von der Anrechnung von Arbeitsjahren im europäischen Ausland auf die Rente bis hin zur Antidiskriminierungsrichtlinie – machte Eichenhofer deutlich: „Europa hat sozialpolitische Zuständigkeiten“, und muss sie haben. Heute gebe es mit der „Offenen Methode der Koordinierung“ einen regen Austausch sozialpolitischer Erfahrungen zwischen den Ländern der Union – Beispiel eines Resultats solchen Austausches sei z.B. die deutsche Agenda 2010.

Trotz der sozialpolitischen europäischen Entwicklungen betonte er weiter: Ein Markt, auch der europäische Binnenmarkt, sei „niemals sozial“. Sozial werde er erst durch politische Rahmensetzung und Regulierung – Und die habe in der Zukunft Herausforderungen zu bewältigen, müsse sich anpassen und neue Strukturen fördern: „Wir können den Sozialstaat nur retten, wenn wir ihn umstellen auf eine postindustrielle Gesellschaft“, forderte Eichenhofer. Geschehen müsse dies auf europäischer Ebene: Denn nur so würde Europa seiner sozialpolitischen Verantwortung gerecht, und erarbeitete Standards könnten erhalten bleiben.

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