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Weltklasse-Musik: Die hr-Bigband mit John Scofield im Rahmenprogramm der Bad Hersfelder Festspiele

Bad Hersfeld. Es wird ein besonderes Zusammentreffen und nicht nur für Jazzfans ein Highlight, wenn die hr-Bigband unter Leitung von Jim McNeely mit dem besten Jazzgitarristen der Welt auf der Bühne der Stiftsruine (19.5. 2012/20 Uhr) auftreten wird. EAST COAST BLOW OUT heißt das Programm, das schon einmal Aufsehen erregte. Gebrauchte Exemplare der vergriffenen CD EAST COAST BLOW OUT, 1994 von Jim McNeely für das John Scofield Quartet und die WDR Big Band geschrieben, werden heutzutage im Netz zu saftigen Preisen gehandelt. Es ist ein frühes Beispiel für McNeelys Kunst, erfindungsreich, eigenständig und zeitgemäß für Bigband zu schreiben und die Solisten damit nicht einzuengen, sondern im Gegenteil zu inspirieren. Nun wird EAST COAST BLOW OUT in der fast gleichen Besetzung wie damals wieder live inszeniert, von der hr-Bigband, die sich glücklich schätzt, dass sie Jim McNeely als Chefdirigent gewinnen konnte. Und dazu wird es weitere Bigband-Bearbeitungen der Musik von John Scofield geben.

Fotos: hr: Dirk Ostermeier/ hr: Ben Knabe


Interview mit Jim McNeely

Frage: Hauptsolist des Abends wird der Gitarrist John Scofield sein. Was zeichnet ihn aus?

Jim McNeely: Er ist musikalisch sehr breit aufgestellt. Als ich ihm 1976 zuerst begegnete, spielte er in der Band des Schlagzeugers Billy Cobham, zu der Zeit, eine der angesagtesten Fusionbands. Ich glaube Michael und Randy Brecker, die Brecker Brothers gehörten ebenfalls zu dieser Formation. Fusion in diesen Tagen bedeutete „schneller-höher-weiter“ zu spielen und John konnte das. Doch gleichzeitig war da eine Tiefe in seinem Spiel. Außerdem hatte er gerade eine Platte mit Chet Baker aufgenommen und wenn ich mit ihm zusammen spielte, war das auch eher straight-ahead-Jazz. Neben diesem breiten musikalischen Horizont bewundere ich an John Scofield, wie er es schafft, seine Karriere auch in seinen schwierigen „mittleren Jahren“ immer am Laufen zu halten.

Für Jazzmusiker ist es in jungen Jahren relativ einfach einen gewissen Hype um ihre Person zu entfachen, und wenn sie dann erst 70 sind und gerade noch so auf die Bühne klettern können, erfreuen sie sich wieder eines großen Publikumsinteresses. Aber in der Zeit zwischen dem 35. und 70. Lebensjahr müssen die meisten eine Durststrecke überwinden. Nicht so John Scofield. Er hat seine Karriere immer vorangetrieben, indem er sich künstlerisch weiter entwickelt hat und nach interessanten Begegnungen Ausschau gehalten hat, ob es seine Ausflüge in den Funk, in die Südstaatenmusik, in die College-Jam-Szene oder seine Trio-Aufnahmen mit Steve Swallow waren. So hat er seine eigene Stimme frisch gehalten. Er ist einer meiner absoluten Lieblingsmusiker.

Frage: Wer gehört denn noch zum erlauchten Kreis Ihrer Lieblingsmusiker?

Jim McNeely: John Coltrane, Charlie Parker sind zwei, denen ich leider niemals begegnet bin. Von den Musikern, mit denen ich zusammen arbeiten durfte, sind es neben John Scofield Dave Liebman, Thad Jones, Bob Brookmeyer, Clark Terry, Stan Gezt und Phil Woods. Du lernst viel über jemanden, wenn du ihn jeden Abend bei der Arbeit beobachten kannst, wenn du siehst wie sie ein Set aufbauen und wie sie spielen. Die Fähigkeit großer Musiker sich Abend für Abend auf ihr Instrument und die Musik zu konzentrieren und ihr Bestes zu geben ist einfach nur bewundernswert. Und John hat sie auch.

Frage: Wie würden Sie John Scofields Art beschreiben, die Gitarre zu spielen?

Jim McNeely: Er wuchs in den späten 50ern und frühen 60er Jahren auf, als Rhythm and Blues und die Beatles die Popmusik bestimmten. Dann erschienen diese ganzen Rockgitarristen wie Jimmy Page oder Jimi Hendrix, die wirklich spielen konnten und die Klangpalette der elektrischen Gitarre enorm erweiterten. John Scofield nahm diese Seite des Gitarrenspiels ebenso in seinen Stil auf wie die Errungenschaften der großen Jazzgitarristen und das, obwohl man damals für diese Vielseitigkeit von beiden Lagern heftig kritisiert werden konnte. Hört man ihn heute, erscheinen reine Jazzgitarristen oder auch die großen Stars der Rockgitarre im Vergleich mit ihm doch erstaunlich limitiert. Er kann eine einfache Melodie so spielen, dass sie nach so viel mehr klingt, indem er jeden Ton mit einer anderen Bedeutung auflädt. Mit ganz wenigen Noten kann er eine spannende Geschichte erzählen.

Frage: Sie werden mit John Scofield und der hr-Bigband das Projekt EAST COAST BLOW OUT, das sie 1989 für WDR-Bigband und das Scofield-Quartett komponiert haben, erneut aufführen. Ist das etwas für Jazznostalgiker?

Jim McNeely: Ich hoffe nicht. Wir haben das Projekt seit den beiden Konzerten, die wir damals im Kölner Stadtgarten gaben, nie mehr aufgeführt, obwohl ich mir das immer gewünscht habe. Die Idee damals war, dass nicht John allein als Solist fungiert, sondern das ganze John-Scofield-Quartett, so ähnlich wie bei einem Concerto grosso. Für mich war es damals eine großartige Erfahrung, dieses Projekt einzustudieren und aufzunehmen und es war schon ein wenig frustrierend, das seitdem nie mehr live aufführen zu können. Olaf Stötzler, der Manager der hr-Bigband, war schließlich von der Idee gleich angetan, nicht zuletzt, weil er selbst auch Gitarrist ist. Aber ich glaube an dieses Projekt nicht nur aus nostalgischen Gründen, sondern einfach weil es gute Musik ist, wenn ich das mal so unbescheiden sagen darf.

Frage: Werden Sie auch einige neue Arrangements für das Konzert schreiben?

Jim McNeely: Eine Hälfte des Konzerts wird aus Kompositionen von John Scofield bestehen, die ich eigens dafür arrangieren werde. John und ich arbeiten das Programm gerade aus.

Frage: Lohnt sich der Besuch dieses Konzerts in der Bad Hersfelder Stiftsruine eigentlich auch für Menschen, die kulturinteressiert sind ohne spezifische Jazzfans zu sein?

Jim McNeely: Aber natürlich. Vergessen Sie das Wort Jazz und nennen Sie es einfach Musik. Das sind die Fakten: Einer der weltbesten Gitarristen spielt Musik, die speziell für ihn geschrieben wurde, begleitet von Weltklassemusikern und einer der besten Bigbands Europas. Es funktioniert einfach als Musik. Abgesehen davon bietet dieses Konzert allen Menschen, die nicht viel über Jazz wissen, eine einmalige Gelegenheit, ihn auf höchstem Niveau zu erleben und auszuprobieren, ob er etwas in ihnen zum Schwingen bringt.

An dieser Stelle schaltet sich der bekannte Schauspieler August Zirner, der für ein Projekt mit der hr-Bigband in Frankfurt weilt und dem Interview bis dahin nur interessiert zugehört hatte, ungefragt ins Gespräch ein:

August Zirner: Wenn ich eine Empfehlung aussprechen dürfte, nach Bad Hersfeld zu fahren: Ich werde von Wien anreisen, allein schon der Konstellation der vier Musiker wegen. Und dazu noch die phantastische hr-Bigband. Ich sag’s mal so: Es ist eine Reise wert, und es wird eine Reise werden, wenn man’s dann hört.

Jim McNeely: Ich freue mich sehr auf dieses Konzert, und ich weiß, dass John Scofield, Adam Nussbaum und Jay Anderson sich genauso darauf freuen. Die CD „East Coast Blow Out“ ist ja heute ein begehrtes Sammlerobjekt und es existieren sogar Blogs dazu im Internet. Die Platte besitzt sozusagen Untergrund-Kultstatus, denn sie wird von vielen als bedeutendes Werk eingestuft. Ich teile diese Einschätzung, auch wenn das aus dem Mund des Komponisten ziemlich unbescheiden klingen mag. Es war die erste Kollaboration John Scofields mit einer Bigband und sie präsentiert seine Qualitäten und die seiner Mitmusiker in gelungener Weise. Außerdem zeigt sie eine sehr moderne Art für Bigband zu schreiben. Ich habe damals viele neue Ideen ausprobiert und auch in meiner Karriere stellt diese Platte einen wichtigen Schritt dar. Nach den beiden Konzerten 1976 in Köln wird das Werk also endlich wieder live aufgeführt, in Frankfurt und in Bad Hersfeld. Und nachdem ich mir im Internet Bilder der Bad Hersfelder Stiftsruine angesehen habe, kann ich sagen, dass der Auftritt an diesem einmaligen Ort ein ganz besonderer werden wird.

Termin:
HR2 präsentiert:
Die hr-Bigband mit John Scofield
Leitung: Jim McNeely
EAST COAST BLOW OUT
19.05. 2012/ 20:00 Uhr
Stiftsruine/ Bad Hersfeld
Eintritt: ab 22,00 €

Kartenzentrale
Am Markt 1
36251 Bad Hersfeld
Telefon 06621 400755
Telefax 06621 400770
www.bad-hersfelder-festspiele.de
kartenzentrale@bad-hersfeld.de
Karten bekommen Sie auch über EVENTIM
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